Die Propeller-Insel
man die Fluth bis fünfundvierzig Kilometer von der Mündung und Barken können auf ihm bis achtzig Kilometer weit hinaufsegeln.
An der Mündung ist die Rewa über hundert Toisen breit. Sie verläuft zwischen sandigen, niedrigen Ufern an der linken und zwischen hügligen Ufern, die einen üppigen Bestand von Bananen und Cocospalmen zeigen, an der rechten Seite. Ihr Name ist eigentlich Rewa-Rewa, entsprechend jener Verdoppelung der Wörter, wie sie den Völkerschaften des Stillen Oceans fast gemeinsam ist. Wie Yvernes bemerkt, findet man dasselbe ja in den kindlichen Ausdrücken, wie »Papa«, »Mama«, »Dada«, »Bonbon« u. s. w. – In der That scheinen die Eingebornen hier noch ganz in den Kinderschuhen zu stecken.
Die eigentliche Rewa entsteht aus der Vereinigung des Waï-Levu (Großen Wassers) und des Waï-Manu und seine Hauptmündung führt den Namen Waï-Ni-ki.
Nach Durchschiffung des Stromdeltas gleitet die Schaluppe an dem Dorfe Komba vorüber, das halb versteckt in einem wahren Blumenkorbe liegt. Um die Fluthwelle möglichst auszunützen, wird weder hier, noch am Dorfe Naitasiri angehalten. Uebrigens war letzteres unlängst für »tabu« erklärt worden, ein Bann, der sich auf seine Häuser, Bäume, Einwohner und über den Strand hin erstreckte, den das Wasser der Rewa benetzt. Die Eingebornen hätten niemand gestattet, hier den Fuß ans Land zu setzen. Das Tabu ist einmal eine, wenn auch nicht gerade sehr ehrwürdige, doch eine sehr verehrte Sitte – Sebastian Zorn wußte schon etwas davon – und man schenkte ihr die gebührende Beachtung.
Beim Vorüberfahren vor Naitasiri macht der Lootse die Ausflügler auf einen hohen Baum, einen Tavala, aufmerksam, der sich an einer Einbiegung des Ufers erhebt.
»Was ist’s denn so Merkwürdiges mit diesem Baume? fragt Frascolin.
– O, erklärt der Lootse, nichts anders, als daß seine Rinde von der Wurzel bis zur Gabelung durch Einschnitte gestreift ist. Diese Einschnitte bezeichnen die Anzahl menschlicher Körper, die an der Stelle selbst gekocht und aufgezehrt wurden….
– So, als ob Einer von den Kerben auf dem Theilholze des Bäckers spräche!« bemerkt Pinchinat, der ungläubig mit den Achseln zuckt.
Er hat aber Unrecht. Die Fidschi-Inseln sind vor allem der Sitz des Cannibalismus gewesen, der den Berichten nach daselbst auch jetzt noch nicht ganz außer Gebrauch gekommen ist. Die Feinschmeckerei wird ihn unter den Stämmen des Landesinnern noch lange erhalten. Ja, die Feinschmeckerei, denn nach den Aussagen der Eingebornen hat nichts einen so köstlichen Geschmack wie das Menschenfleisch, das den des Rindfleisches weit übertreffen soll. Konnte man dem Lootsen glauben, so hat es hier einen Häuptling gegeben, Ra-Undrenudu genannt, der auf seinem Besitzthum Steine aufrichten ließ, und bei seinem Ableben belief sich deren Anzahl auf achthundertzweiundzwanzig.
»Und wissen Sie auch, was diese Steine bedeuteten?…
– Das zu errathen, ist uns unmöglich, antwortet Yvernes, selbst wenn wir unsern ganzen Musikantenscharfsinn daransetzen.
– Sie bedeuteten die Anzahl menschlicher Körper, die jener Häuptling verzehrt hatte.
– Ganz allein?…
– Gewiß, ganz allein!
– Das ist ein tüchtiger Esser gewesen!« begnügt sich Pinchinat, der sich seine Ansicht über die »windbeuteligen Fidschi-Insulaner« schon gebildet hat, einfach zu antworten.
Gegen elf Uhr ertönt auf dem rechten Ufer eine Glocke. Zwischen Buschwerk und beschattet von Bananen und Cocospalmen wird das aus wenigen Strohhütten bestehende Dorf Naililii sichtbar. Auf die Frage der Touristen, ob sie hier nicht eine Stunde anhalten könnten, um mit dem Missionär, einem Landsmanne, einen Händedruck zu wechseln, antwortet der Lootse bejahend, und so wird das Boot an einem Baumstamme festgelegt.
Sebastian Zorn und seine Kameraden gehen ans Land, und nach kaum zwei Minuten Weges begegnen sie dem Superior der Mission.
Es ist ein Mann von etwa fünfzig Jahren mit anziehendem Gesicht und energischen Zügen. Hocherfreut, einmal Franzosen begrüßen zu können, führt er sie nach seiner Wohnung in der Mitte des Dorfes, das etwa hundert Seelen zählt. Er besteht darauf, daß seine Gäste eine landesübliche Erfrischung annehmen. Diese besteht aber nicht etwa aus dem widerlichen Kava, sondern aus einem wohlschmeckenden Getränk oder vielmehr aus einem Absud, das durch Abkochung von Cyreen, einer am Ufer der Rewa sehr häufig vorkommenden Muschelart, gewonnen war.
Dieser Missionär
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