Die Propeller-Insel
dabei nur an ein Gespann, von dem ein Pferd hierher, das andre dorthin will, und man erhält eine Vorstellung von dem, was hier vorgeht.
Mit einer sich steigernden Schnelligkeit der Bewegung rotiert Standard-Island um seine eigne senkrechte Achse, der Park und das Feld beschreiben concentrische Kreise und die an den Ufern der Insel liegenden Theile tanzen mit der Geschwindigkeit von zehn bis zwölf Meilen in der Stunde im Wasser herum.
Den Maschinisten, die durch ihre Handhabung der Maschine diese Drehbewegung hervorbringen, vernünftig zuzureden, daran ist gar nicht zu denken. Der Commodore Simcoë hat keine Autorität über sie. Sie unterliegen denselben Leidenschaften, wie die Einwohner ihrer Hälften alle, Watson und Somwah werden bis zum Ende, Maschine gegen Maschine, Dynamo gegen Dynamo, zu keiner Aenderung zu bewegen sein.
Da ereignet sich noch etwas, was schon durch seine Unannehmlichkeit die Köpfe hätte beruhigen, die Herzen weicher stimmen sollen.
In Folge der Rotation Standard-Islands werden viele Milliardeser, und vor allem Milliardeserinnen, von eigenthümlichem Schwindel befallen. In den Wohnungen leiden sie an unangenehmer Uebelkeit, vorzüglich in denen, die wegen ihrer Entfernung vom Mittelpunkte einer schnelleren »Walzer«-Bewegung ausgesetzt sind.
Yvernes, Pinchinat und Frascolin können sich gar nicht mehr enthalten zu lachen, obwohl die Situation entschieden kritisch zu werden droht. In der That steht Standard-Island jetzt nahe vor einer materiellen Trennung, die, wenn es dazu kommt, der moralischen die Wage halten dürfte.
Der arme Sebastian Zorn wird unter dem Einflusse der unablässigen Drehbewegung blaß… sehr blaß. Er »hißt seine Flagge«, wie Pinchinat sagt, und das Herz liegt ihm auf der Zunge. Soll dieser verteufelt schlechte Scherz denn gar kein Ende nehmen? Soll er gefangen bleiben auf der ungeheuern Drehscheibe, die nicht einmal die Eigenschaft hat, einem die Zukunft zu weissagen…
Eine ganze, endlos erscheinende Woche lang hat Standard-Island nicht aufgehört, sich um seinen Mittelpunkt, d. i. Milliard-City, zu bewegen. Immerwährend ist die Stadt von einer Menge Leute erfüllt, die hier Hilfe gegen ihre Uebelkeit suchen, weil die Drehung Standard-Islands in dessen Mitte am wenigsten fühlbar ist. Vergeblich haben der König von Malecarlien, der Commodore Simcoë und der Colonel Stewart versucht, bei den beiden Mächten, die sich in das Stadthaus theilen, zu intervenieren. Keiner hat seine Flagge streichen wollen. Und wenn Cyrus Bikerstaff hätte wieder auferstehen können, er würde an dieser ultraamerikanischen Hartnäckigkeit gestrandet sein.
Um das Unglück voll zu machen, ist der Himmel seit acht Tagen so andauernd bewölkt gewesen, daß es ganz unmöglich war, eine Sonnenhöhe zu messen. Der Commodore Simcoë hat jedes Urtheil über die Lage Standard-Islands verloren. Durch seine mächtigen Propeller in entgegengesetztem Sinne von zwei Seiten angetrieben, fühlt man es nur bis zu den Platten seiner Untergrundkammern erzittern. Keinem Menschen ist es eingefallen, sich wieder in sein Haus zu begeben. Der Park strotzt von Leuten. Alles campiert unter freiem Himmel. Von der einen Seite schallen die Rufe: »Hurrah für Tankerdon!« – von der andern: »Hurrah für Coverley!« – Die Augen sprühen Blitze. Die Hände ballen sich zur Faust. Soll sich wirklich, jetzt, wo die Bevölkerung einem Paroxismus unsinniger Aufregung verfallen ist, noch der Bürgerkrieg mit allen seinen Greueln entfesseln?
Doch wie dem auch sei, jedenfalls wollen weder die Einen noch die Andern die näher kommende Gefahr erkennen. Niemand giebt nach, sollte das Juwel des Stillen Oceans darum auch in tausend Stücke gehen! So wird es also fortfahren, sich zu drehen bis zur Stunde, wo die Dynamos, wegen Mangel an Strom, die Propeller nicht mehr zu treiben vermögen.
Zwei Glocken ertönten in diesem Augenblicke. (S. 372.)
Inmitten dieser allgemeinen Aufregung, von der Walter Tankerdon sich nicht anstecken läßt, ist der arme junge Mann eine Beute der quälendsten Angst. Er fürchtet nicht für sich, wohl aber für Miß Dy Coverley, daß eine plötzliche Zerreißung Milliard-City vernichten könne. Seit acht Tagen schon hat er die nicht sehen können, die seine Braut gewesen ist und bereits seine Gattin hätte sein sollen. In seiner Verzweiflung hat er seinen Vater zwanzigmal angefleht, von diesem beklagenswerthen Manöver abzustehen… Jem Tankerdon hat ihn ohne ein Wort aus dem
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