Die Propeller-Insel
meine Herren! Ihr Anerbieten schmeichelt uns, wir fühlen uns aber in der jetzigen Lage glücklich und hegen die Hoffnung, diese auch in Zukunft keine Aenderung erleiden zu sehen. Glauben Sie mir ja, wir haben mit den Illusionen, die von irgendwelcher Souveränität untrennbar sind, für immer abgeschlossen! Ich bin nichts weiter als einfacher Astronom des Observatoriums von Standard-Island und will auf keinen Fall etwas andres sein! –
Einer so unzweideutigen Ablehnung gegenüber war nichts mehr zu thun, und die Deputation zieht sich zurück.
In den letzten Tagen vor dem Wahlgang erhitzen sich die Geister nur noch mehr. An Erzielung eines Einverständnisses ist nicht zu denken. Die Parteigänger Jem Tankerdon’s und Nat Coverley’s vermeiden es sogar, sich in den Straßen zu begegnen. Niemand geht mehr aus einer Hälfte in die andre, und weder die Steuerbord-noch die Backbordbewohner überschreiten die Erste Avenue. Milliard-City ist in zwei feindliche Städte zerfallen. Der einzige, der noch von der einen zur andern läuft, der sich abhetzt, Blut und Wasser schwitzt, sich mit guten Rathschlägen erschöpft und doch von der linken wie der rechten Seite abgewiesen wird, ist der verzweifelte Oberintendant Calistus Munbar. Drei oder viermal des Tages »strandet« er dann wie ein Schiff in den Salons des Casinos, wo das Quartett ihn vergeblich zu trösten sucht.
Der Commodore Simcoë beschränkt sich auf das, was seine Pflicht ihm auferlegt. Er leitet die Propeller-Insel gemäß der festgestellten Route. Mit heiligem Abscheu vor jeder Politik wird er jeden beliebigen Gouverneur willkommen heißen. Seine Officiere, wie die des Colonel Stewart, zeigen sich der Frage, die alle Köpfe zum Zerspringen erhitzt, gegenüber ebenso uninteressiert, wie er selbst. Auf Standard-Island sind keine Pronunciamentos zu fürchten.
Der im Stadthause unablässig tagende Rath der Notabeln streitet und streitet sich in einemfort. Man läßt sich sogar zu persönlichen Angriffen verleiten. Die Polizei sieht sich zu gewissen Vorsichtsmaßregeln gezwungen, denn vor dem Stadthause drängt sich vom Morgen bis zum Abend eine lärmende Menschenmenge umher.
Obendrein verbreitet sich noch eine beklagenswerthe Neuigkeit: Walter Tankerdon hat sich gestern im Hôtel Coverley anmelden lassen und… ist nicht empfangen worden.
Den beiden Verlobten hat man untersagt, sich ferner zu sehen, und da die Eheschließung nicht vor dem Ueberfalle der Neu-Hebridier stattgefunden hat, wer möchte nun sagen, ob sie überhaupt noch stattfinden wird!
Endlich ist der 15. März herangekommen. Im großen Saale des Stadthauses soll die Wahl vor sich gehen. Eine gröhlende Menge erfüllt den Square, wie einst das römische Volk den Platz vor dem Quirinal, wenn das Conclave zu einer neuen Besetzung des Stuhles St. Petri versammelt war.
Wer wird nun aus der Wahlurne als Sieger hervorgehen? Wenn die Steuerbordbewohner Nat Coverley treu geblieben sind und die Backbordbewohner ebenso fest an Jem Tankerdon halten… was soll schließlich daraus werden?…
Der große Tag ist da. Zwischen ein und drei Uhr ist das gewohnte Leben auf Standard-Island so gut wie ausgestorben. Fünf-bis sechstausend Personen wälzen sich vor den Fenstern des Stadthauses umher. Man erwartet das Ergebniß der Abstimmung der Notabeln, die den beiden Stadthälften und den Häfen sofort telegraphisch mitgetheilt werden soll.
Um ein Uhr fünfunddreißig Minuten ist der erste Wahlgang beendigt.
Die beiden Candidaten erhalten gleichviel Stimmen.
Eine Stunde später erfolgt die zweite Abstimmung.
Das Ergebniß bleibt ganz dasselbe.
Um drei Uhr fünfunddreißig Minuten erfolgt die Wahl zum dritten und letzten Male.
Auch dabei erhält kein Candidat auch nur mit einer Stimme die Majorität.
Der Rath geht auseinander und hat damit ganz recht. Bliebe er noch länger beisammen, so würden seine Mitglieder schließlich handgemein werden. Auf dem Wege über dem Square, den die Einen nach dem Hôtel Tankerdon, die Andern nach dem Hôtel Coverley zu überschreiten, empfängt sie ein unheimliches Murren.
Das Quartett suchte ihn vergeblich zu trösten. (S. 368.)
Die verwirrte Situation muß doch irgendwie ein Ende nehmen, sie beeinträchtigt die Interessen Standard-Islands schon jetzt gar zu tief empfindlich.
»Unter uns gesagt, meint Pinchinat, als er und seine Kameraden das Ergebniß der drei Wahlgänge durch den Oberintendanten erfahren, meiner Ansicht nach giebt es doch ein sehr einfaches
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