Die Propeller-Insel
Heiterkeit des Amerikaners angesteckt wird.
– Warum nicht? Wie ein Schwarm Buchfinken an einem sonnigen Tage!«
Jetzt zeigt sich eine größere Querstraße. Es ist die Neunzehnte Alleestraße, aus der jeder Handelsverkehr verbannt ist. Durch dieselbe verlaufen, wie durch die andern, zwei Trambahngleise. Schnell rollen die Wagen darüber hin, ohne ein Körnchen Staub aufzuwirbeln, denn die mit einem unveränderlichen Belag von Karry oder australischem Jarraholz – warum nicht von brasilianischem Mahagoni? – versehene Straßenfläche ist so sauber, als hätte man sie mit Smirgelpapier abgerieben. Frascolin, der alle physikalischen Erscheinungen scharf beobachtet, meint, daß sie unter den Füßen fast einen metallischen Klang hören lasse.
»Das sind offenbar großartige Eisenindustrielle! sagte er für sich. Nun stellen sie gar die Fahrwege aus Eisenguß her!«
Eben wollte er sich bei Calistus Munbar darüber näher unterrichten, als dieser ausrief:
»Sehen Sie sich dieses Hôtel an, meine Herren!«
Er zeigt dabei nach einem umfänglichen und großartigen Bauwerk, dessen Seitenflügel, die einen Schmuckhof begrenzen, durch ein Gitter aus Aluminium verbunden sind.
»Dieses Hôtel, man könnte sagen, dieser Palast wird von einer der ersten Familien der Stadt bewohnt. Ich erwähnte Ihnen bereits Jem Tankerdon. Der Mann ist Eigenthümer unerschöpflicher Petroleumquellen in Illinois und der reichste und deshalb der ehrbarste und verehrteste unsrer Mitbürger…
– Mit einem Vermögen von Millionen? fragt Sebastian Zorn.
– Pah! stieß Calistus Munbar hervor. Eine Million ist für uns so viel wie ein Dollar, und deren giebt’s hier Hunderte! In unsrer Stadt wohnen manche überreiche Nabobs. Damit erklärt es sich, daß die Kaufleute in den Handelsvierteln bald ein Vermögen machen… ich meine die Detailhändler, denn von Großhändlern findet sich auf diesem, in der Welt einzig dastehenden Mikrokosmos kein einziger…
– Aber Industrielle? fragte Pinchinat weiter.
– Industrietreibende giebt es hier nicht!
– So doch wohl Rheder? ließ sich Frascolin vernehmen.
– Ebensowenig!
– Also lauter Rentiers? sagte darauf Sebastian Zorn.
– Nichts als Rentiers, neben Kaufleuten, die im besten Zuge sind, sich eine schöne Rente anzusammeln.
– Nun, aber Handwerker doch auch? bemerkte Yvernes.
– Wenn man Handwerker braucht, läßt man sie von auswärts kommen, und wenn die Leute fertig sind, kehren sie wieder zurück… natürlich mit einem hübschen Batzen Geld in der Tasche.
– Doch selbstverständlich, Herr Munbar, sagt Frascolin, haben Sie auch einige Arme in Ihrer Stadt, und wäre es nur, um die Rasse nicht ganz aussterben zu lassen.
– Arme, mein Herr zweiter Geiger?… Von solchen würden Sie keinen einzigen entdecken!
– So ist das Betteln wohl strengstens verboten?…
– Zu einem solchen Verbote fehlte jede Veranlassung, da die Stadt Bettlern gar nicht zugänglich ist. So etwas paßt für die Städte der Union mit ihren Stiften, Asylen und Arbeitshäusern… und mit den Besserungsanstalten, die jene vervollständigen…
– Wollen Sie damit sagen, daß Sie keine Gefängnisse hätten?
– So wenig, wie wir Gefangene haben.
– Doch mindestens Verbrecher oder Uebelthäter?
– Diese ersuchen wir, in der Alten oder der Neuen Welt zu bleiben, wo sie ihrem Berufe unter günstigeren Umständen obliegen können.
– Wahrhaftig, Herr Munbar, ruft Sebastian Zorn, Ihren Worten nach würde man kaum glauben, sich in Amerika zu befinden.
– Da waren Sie noch gestern, Herr Violoncellist, antwortet dieser merkwürdige Cicerone.
– Gestern? versetzt Frascolin, bemüht, sich den Sinn dieser dunkeln Rede zu deuten.
– Gewiß! Heute befinden Sie sich in einer ganz unabhängigen, freien Stadt, auf die die Union gar kein Recht hat, die nur sich selbst regiert…
– Und deren Name lautet…? fragt Sebastian Zorn, bei dem schon die angeborne Reizbarkeit durchzubrechen anfängt.
– Deren Name? antwortet Calistus Munbar. Gestatten Sie mir, ihn vorläufig noch zu verschweigen.
– Und wann werden wir ihn erfahren?
– Wenn Sie den Besuch der Stadt vollendet haben, worüber sie sich übrigens sehr geschmeichelt fühlen wird.«
Dieser so zurückhaltende Amerikaner ist mindestens ein eigenartiger Mann. Alles in allem kommt nicht so viel darauf an. Vor der Mittagsstunde wird das Quartett seinen merkwürdigen Spaziergang vollendet haben, und wenn es den Namen der Stadt auch erst im Augenblick
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