Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Vier Uhr dreizehn Minuten.
    »Sie vergessen doch nicht, daß wir den Thurm des Observatoriums besteigen wollen? meldet sich Frascolin.
    – Vergessen, meine lieben und schon alten Freunde!… Eher würde ich meinen eignen Namen vergessen, der sich übrigens einiger Berühmtheit erfreut. Noch vier Meilen, und wir werden vor dem prächtigen Gebäude stehen, das am Ende der Ersten Avenue errichtet ist, die beide Hälften unsrer Stadt scheidet.«
    Der Wagen ist abgegangen. Jenseits der Felder, auf die noch immer »der Nachmittagsregen« – so sagte der Amerikaner – niederrieselt, zeigt sich wieder der mit Barrièren umschlossene Park mit seinen Baumgruppen, Rasenflächen und Blumenkörben.
    Da schlägt es halb fünf Uhr. Zwei Weiser zeigen die Stunde auf einem riesigen Zifferblatte, das, an einem viereckigen Thurme angebracht, etwa dem des Londoner Parlamentshauses ähnelt.
    Am Fuße des Thurmes liegen die für die verschiednen Dienstzweige des Observatoriums bestimmten Gebäude. Einige derselben, die mit metallenen Kuppeln und verglasten Spalten in letzteren versehen sind, gestatten den Astronomen, den Lauf der Gestirne zu beobachten. Sie umschließen einen geräumigen Hof, in dessen Mitte sich der hundertfünfzig Fuß hohe Thurm erhebt. Von seiner obern Gallerie reicht der Blick auf fünfundzwanzig Kilometer weit hinaus, da der Horizont von keinem Hügel, keinem Berg verdeckt wird.
    Seinen Gästen vorausgehend, schreitet Calistus Munbar durch eine Thür, die ihm ein Diener in reicher Livrée geöffnet hat. Im Hintergrunde der Hausflur befindet sich der mittelst Elektricität betriebene Aufzug. Das Quartett nimmt mit seinem Führer in dem Fahrstuhle Platz. Dieser steigt sofort sanft und gleichmäßig in die Höhe. Nach fünfundvierzig Secunden hält er an der Plattform des Thurmes an.
    Auf dieser Plattform erhebt sich eine riesige Flaggenstange, an der das Flaggentuch im schwachen Nordwinde flattert.
    Welche Nationalität diese Flagge bezeichnet, vermögen unsre Pariser nicht zu ergründen. Auf den ersten Blick scheint es die amerikanische Flagge mit den wagrechten rothweißen Streifen zu sein; die obere innere Ecke enthält aber statt der siebenundsechzig Sterne, die zu jener Zeit am Firmament des Staatenbundes funkeln, nur einen einzigen: einen Stern oder vielmehr eine goldne Sonne, die von dem Himmelblau der Flaggenecke schimmert und mit dem Strahlenglanze des Tagesgestirns rivalisieren zu können scheint.
    »Unsre Flagge, meine Herren, sagt Calistus Munbar, der ehrerbietig das Haupt entblößt.
    Sebastian Zorn und seine Kameraden können nicht umhin, es ihm nachzuthun. Dann treten sie an die Brustwehr der Plattform heran, beugen sich hinaus..
    Da entringt sich ihrer Brust ein lauter Aufschrei – erst der Ueberraschung und dann des hellen Zorns.
    Vor ihren Blicken liegt das ganze Land, und dieses Land zeigt die Form eines regelmäßigen Ovals, das von einem Meereshorizonte eingefaßt ist. So weit der Blick schweifen kann, nirgends ist Land in Sicht.
    Und doch sind Sebastian Zorn, Frascolin, Yvernes und Pinchinat gestern in der Nacht, nachdem sie das Dorf Freschal im Wagen des Amerikaners verlassen hatten, zwei Meilen weit stets dem Wege über Land gefolgt. Darauf haben sie, gleich im Wagen verbleibend, mittelst der Fähre nur einen Wasserlauf überschritten und sind dann wieder auf festes Land gekommen.
    Hätten sie die Küste Californiens auf einem Schiffe verlassen, so müßten sie das doch bemerkt haben…
    Frascolin wendet sich voller Erregung an Calistus Munbar.
    »Wir sind doch auf einer Insel? fragt er.
    – Wie Sie sagen, bestätigt der Yankee, dessen Mund sich zum verbindlichsten Lächeln verzieht.
    – Und welche Insel ist das?
    – Standard-Island.
    – Und diese Stadt heißt…?
    – Milliard-City.«

Fünftes Capitel.
Standard-Island und Milliard-City.
    Jener Zeit erwartete man noch einen unternehmenden Statistiker und gleichzeitigen Geographen, der die wirkliche Zahl der auf der Erdkugel verstreuten Inseln angegeben hätte. Es wird nicht übertrieben sein, wenn man diese Zahl zu mehreren Tausenden veranschlagt. Und unter diesen Inseln hätte sich keine einzige befunden, die den Wünschen der Gründer von Standard-Island und den Bedürfnissen seiner späteren Bewohner entsprochen hätte? Nein, keine einzige! Daher der »amerikamechanisch« praktische Gedanke, eine nach allen Seiten neue, künstliche Insel herzustellen, die die vollkommenste Leistung der modernen Metallurgie bilden

Weitere Kostenlose Bücher