Die Propeller-Insel
nichts zu fürchten. Kaum zwei Fuß lange Boas, die ebenso unschuldig sind wie eine Natter, und Simquen, deren azurblauer Schwanz mehr einer Blume ähnelt, kommen gar nicht in Betracht.
Die Eingebornen zeigen einen bemerkenswerthen Typus. Man erkennt an ihnen den asiatischen Charakter, als Beweis eines ganz andern Ursprungs, als dessen der übrigen oceanischen Völkerschaften. Von mittlerer Größe, sind sie sehr regelmäßig gebaut, stark in der Musculatur und breit in der Brust. Sie haben seine Gliedmaßen, ovales Gesicht, hohe Stirn, dunkle Augen mit langen Wimpern, eine Adlernase, weiße, regelmäßige Zähne, weder rothe noch weiße, sondern wie die Araber bräunliche Haut, und Gesichtszüge, worin sich Heiterkeit und Sanftmuth gleichzeitig widerspiegeln.
Tätowierungen kommen fast gar nicht mehr vor – jene Tätowierungen, die nicht durch Einschnitte in die Haut, sondern durch seine Stiche ausgeführt wurden, welche man mit Kohlenpulver von der
Aleurita triloba
einpuderte. Dieses Verfahren ist durch die… Baumwollstoffe der Missionäre außer Mode gekommen.
»Diese Leute, sagt Yvernes, sind ein recht schöner Menschenschlag, jetzt aber doch vielleicht minder schön als damals, wo sie nur mit einem Schurz bekleidet, mit den Haaren als einzige Kopfbedeckung und Pfeil und Bogen schwingend umherzogen.«
Diese Bemerkung fiel gelegentlich eines Ausflugs nach der Comptrollerbucht in Gesellschaft des Gouverneurs. Eyrus Bikerstaff hatte seine Gäste nach genannter Bucht zu führen gewünscht, die ebenso wie La Valette verschiedne Häfen einschließt, und in den Händen der Engländer wäre Nuka-Hiva ohne Zweifel zum Malta des Stillen Oceans geworden. Hier siedelt der Stamm der Happas auf fruchtbarem Boden mit einem kleinen Flusse, der von einem rauschenden Wasserfalle gespeist wird. Hier spielten sich auch in der Hauptsache die Kämpfe des Amerikaners Porter mit den Eingebornen ab.
Die Bemerkung Yvernes’ verlangte eine Antwort, und der Gouverneur gab sie, indem er sagte:
»Vielleicht haben Sie Recht, Herr Yvernes. Die Marquisaner sahen einst stattlicher aus mit dem Lendenschurz, dem Maro und dem Pareo mit leuchtenden Farben, dem Ahu bun, einer Art wehender Schärpe, und mit ihrer Tiputa, einer Art mexikanischen Ponchos. Gewiß kleidet sie das moderne Costüm nicht besonders gut. Doch, Verfall ist einmal die Folge der Civilisation. Zur selben Zeit, wo unsre Missionäre daran gehen, die Eingebornen zu bekehren, nöthigen sie sie auch, sich etwas weniger lückenhaft zu bekleiden.
– Thun sie denn da nicht recht daran, Herr Gouverneur?
– In Rücksicht auf gesellschaftliche Formen, ja; vom hygienischen Gesichtspunkte aus betrachtet, nein! Seit sie anständiger gekleidet gehen, haben diese wie andre Insulaner ebenso an angeborner Kraft, wie an natürlicher Heiterkeit verloren. Sie langweilen sich, und das zehrt an ihrer Gesundheit. Früher kannten sie keine Bronchitis, keine Lungenentzündung, keine Sckwindsucht…
– Und seit sie nicht mehr ganz nackt gehen, holen sie sich den Schnupfen! ruft Pinchinat.
– Ganz richtig; hier sehen wir eine ernste Ursache des Untergangs der Rasse.
– Woraus ich schließe, läßt der Bratschist sich vernehmen, daß Adam und Eva erst seit dem Tage gehustet und geniest haben, wo sie Rock und Hosen trugen, nachdem sie aus dem irdischen Paradies vertrieben waren, was uns, ihren entarteten und doch verantwortlichen Kindern, die schönen Brustkrankheiten eingebracht hat.
– Uns, Herr Gouverneur, fragt Yvernes, schien es so, als ob die Frauen dieses Archipels weniger schön wären als die Männer…
– Ebenso wie auf den andern Inselgruppen, antwortet Cyrus Bikerstaff, und doch sehen Sie hier den vollendetsten Typus der Oceanier vor sich. Sollte das nicht ein Naturgesetz sein, das den Rassen, die sich dem Zustande der Wildheit nähern, gemeinschaftlich ist? Trifft es nicht ebenso für die Thierwelt zu, wo wir allemal sehen, daß die männlichen Thiere die weiblichen an physischer Schönheit übertreffen?
– O, ruft Pinchinat, man muß wirklich bis zu den Antipoden gehen, um eine derartige Beobachtung, deren Richtigkeit unsre hübschen Pariserinnen nie zugeben würden, zu machen!«
Unter der Bevölkerung Nuka-Hivas giebt es nur zwei Classen, die dem Gesetze des Tabu unterworfen sind. Dieses Gesetz wurde von den Starken gegen die Schwachen, von den Reichen gegen die Armen erfunden, um sich ihre Vorrechte und ihren Besitz zu erhalten.
Das Tabu hat als Farbe weiß, und
Weitere Kostenlose Bücher