Die Propeller-Insel
Schiffbrüchigen daselbst ans Land zu setzen, vorausgesetzt, daß die Notabeln von Milliard-City dem zustimmen.
Cyrus Bikerstaff theilt das dem Kapitän Sarol mit, und dieser bittet den Gouverneur, den Directoren in der Madeleinebay dafür seinen Dank auszusprechen.
Zwölftes Capitel.
Drei Wochen auf Pomoton.
Das Quartett würde fürwahr eine empörende Undankbarkeit beweisen, wenn es sich Calistus Munbar nicht dafür verpflichtet fühlte, es, wenn auch etwas verrätherischer Weise, nach Standard-Island gebracht zu haben. Die Pariser Künstler werden hier ja hochgeehrt, fast angebetet und von Milliard-City mehr als freigebig bezahlt. Sebastian Zorn brummt zwar unablässig weiter, denn ein Stacheligel wird sich niemals in eine Katze mit sammetweichem Fell verwandeln; jedoch Yvernes, Pinchinat und Frascolin selbst hätten sich nie ein herrlicheres Leben träumen lassen. Eine Reise ohne Gefahren und Beschwerden über den wundervollen Stillen Ocean! Ein heilsames und wegen der zweckmäßigen Ortsveränderung stets gleichbleibendes Klima. Konnten die vier Franzosen, so fragen wir jeden vernünftigen Menschen, sich wohl nach der Zeit zurücksehnen, wo sie die Städte der großen Republik bereisten, jetzt, wo sie hier, an den Eifersüchteleien der beiden Feldlager unbetheiligt, gleichsam die tönende Seele der Schraubeninsel bildeten, wo sie bei der Familie Tankerdon, der ersten auf der Backbordhälfte, ebenso freundliche Aufnahme fanden, wie bei der Familie Coverley, der ersten auf der Steuerbordseite, wo sie vom Gouverneur und dessen Adjuncten im Stadthause, vom Commodore Simcoë und seinen Officieren im Observatorium, vom Colonel Stewart und dessen Miliz so hochgeehrt wurden, wo sie die Feierlichkeiten im Tempel ebenso wie die Ceremonien in der Saint-Mary Church unterstützten und sie ihnen wohlgewogne Leute in beiden Häfen, in den öffentlichen Werken, wie unter allen Beamten und Angestellten fanden? Wer könnte so sehr sein eigner Feind sein, daß er sie nicht darum beneidet hätte?
»Sie werden mir noch die Hände küssen!« hatte der Oberintendant bei ihrem ersten Gespräche mit diesem geäußert.
Und wenn sie es noch nicht gethan hatten und auch jetzt nicht thaten, so liegt das nur daran, daß man eine Männerhand überhaupt nicht küßt.
Eines Tages sagte Anastase Dorémus, in seiner Art der Glücklichste der Sterblichen, zu ihnen:
»Ich lebe nun fast zwei Jahre auf Standard-Island und würde es bedauern, daß es deren nicht schon sechzig wären, auch wenn man mir versicherte, daß ich nach sechzig Jahren noch hier weilte…
– O, Sie haben ja, fiel Pinchinat ein, allen Anspruch auf wenigstens hundert Jahre!
– Glauben Sie ja, Herr Pinchinat, daß ich diese Zeit gern abwarten werde. Warum sollte man auf Standard-Island sterben?
– Weil man am Ende überall einmal stirbt…
– Doch nicht hier, bester Herr; eben so wenig wie im himmlischen Paradiese!«
Was sollte man hiergegen sagen? Immerhin kam es von Zeit zu Zeit vor, daß selbst auf dieser reizenden Insel Einer die Augen schloß. Dann beförderten die Dampfer seine Ueberreste nach den fernen Friedhöfen der Madeleinebay. Entschieden soll man in dieser Welt nie ganz glücklich sein.
Immerhin schweben einige dunkle Punkte am Horizonte, ja sie nehmen nach und nach die Form mit Elektricität überladner Wolken an, die über kurz oder lang Unwetter und Stürme bringen können. Die beklagenswerthe Rivalität zwischen den Tankerdon’s und den Coverley’s, eine Rivalität, die sich immer mehr zuspitzt, wirkt allmählich beunruhigend. Ihre Parteigänger machen mit ihnen gemeinschaftliche Sache. Werden beide Theile einmal an einander gerathen? Ist Milliard-City von Unruhen und Aufruhr bedroht? Wird der Arm der Verwaltung kräftig und die Hand Cyrus Bikerstaff’s fest genug sein, den Frieden zwischen diesen Monteccchi und Capuletti zu erzwingen? Wer konnte das wissen? Bei den beiden Rivalen, deren Eigenliebe ohne Grenzen zu sein schien, mußte man sich auf alles gefaßt machen.
Seit dem Auftritte, zu dem es bei der Passage der Linie kam, sind die beiden Milliardäre erklärte Feinde. Ihre Freunde halten zu ihnen. Zwischen den beiden Inselhälften hat jeder Verkehr aufgehört. Schon von ferne weicht man einander aus und bei keiner Begegnung geht es ohne drohende Gesten und wilde Blicke ab. Es verbreitet sich sogar das Gerücht, daß der frühere Händler von Chicago und einige Backbordstädter ein großes Handelshaus zu gründen beabsichtigten, daß sie
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