Die Propeller-Insel
Küste reichen und wo eine Vegetation von üppigster Tropenphantasie aufstrebt.
Am nächsten Tage lassen sich der Gouverneur Cyrus Bikerstaff, seine beiden Adjuncten und zwei Notabeln nach dem Hafen von Apia übersetzen, um einen officiellen Besuch bei den Vertretern Deutschlands, Englands und der Vereinigten Staaten zu machen, dieser zusammengesetzten Behörde, in deren Händen sich die Verwaltung des Archipels thatsächlich befindet.
Während Cyrus Bikerstaff sich nebst Gefolge zu den Vertretern begiebt, benützen Sebastian Zorn, Frascolin, Yvernes und Pinchinat, die gleichfalls ans Land gegangen waren, ihre Muße zur Besichtigung der Stadt.
Auf den ersten Blick sind sie verblüfft über den Contrast zwischen den europäischen Häusern mit den kaufmännischen Geschäften und den Hütten des alten Kanakendorfes, in denen die Eingebornen hausen. Jene Wohnstätten sind bequem, sauber, mit einem Worte reizend. Am Ufer des Apiaflusses zerstreut, liegen ihre niedrigen Dächer unter dem Schutze eleganter Palmenbäume.
Der Hafen ist ziemlich belebt. Er ist der besuchteste der ganzen Gruppe, und eine Hamburger Handelsgesellschaft unterhält hier eine Flottille zur Betreibung der Küstenfahrt zwischen Samoa und den Nachbarinseln.
Ist auf dem Archipel aber der dreifache Einfluß der genannten Nationen vorherrschend, so ist Frankreich wenigstens durch katholische Missionäre vertreten, deren Ehrenhaftigkeit, Ergebenheit und Pflichteifer ihnen bei der samoanischen Bevölkerung den besten Ruf erworben haben. Eine wahre Befriedigung, eine tiefe Rührung erfüllt unsre Künstler beim Anblick der kleinen Missionskirche, die nicht die puritanische Strenge der protestantischen Kapellen zeigt, und, etwas darüber, auf dem Hügel, eines Schulhauses, von dessen First die dreifarbige Fahne weht.
Nach dieser Seite gehend, gelangen sie binnen einigen Minuten nach der französischen Niederlassung. Die Maristen bereiten den »Falanis« – so nennen die Samoaner alle Fremden – einen patriotischen Empfang. Hier siedeln drei mit der Verwaltung der Mission betraute Patres, die noch zwei andre in Savaï, nebst einer Anzahl von Mönchen, zur Seite haben.
Welches Vergnügen, mit dem schon bejahrten Superior zu plaudern, der Samoa schon seit langen Jahren bewohnt. Er ist so glücklich, Landsleute und – noch mehr – Künstler aus der Heimat zu empfangen. Das Gespräch wird mit erfrischendem Getränk unterbrochen, wozu die Mission das Recept besitzt.
»Und ebenfalls, meine lieben Söhne, sagte der Greis, glauben Sie nicht, daß unsre Inseln, was man sagt, wild wären. Hier werden Sie keine Eingebornen finden, die noch Cannibalen wären.
– Uns sind überhaupt noch keine solchen vorgekommen, bemerkt Frascolin.
– Zu unserm Bedauern, setzt Pinchinat hinzu.
– Wie? Zu Ihrem Bedauern?
– Verzeihen Sie, würdiger Vater, dieses Geständniß eines neugierigen Parisers! Es lag uns nur an der Localfärbung!
– O, läßt Sebastian Zorn sich vernehmen, noch sind wir nicht am Ende unsrer Fahrt, und vielleicht sehen wir noch mehr, als wir wünschen, von den Menschenfressern, nach denen unser Kamerad solche Sehnsucht zeigt.
– Das ist leider möglich, antwortet der Superior. Mehr in der Nähe der westlichen Gruppen, bei den Neuen Hebriden und den Salomon-Inseln zum Beispiel, müssen alle Seefahrer wohl auf ihrer Hut sein. Auf Tahiti dagegen, auf den Marquisen-und Gesellschafts-Inseln, wie auf Samoa, hat die Civilisation sehr bedeutende Fortschritte gemacht. Ich weiß wohl, daß die Ermordung der Begleiter Lapérouse’s den Samoanern den Ruf natürlicher Wildheit erworben hat und die Meinung, daß sie dem Cannibalismus fröhnten. Wie viel hat sich seitdem aber Dank der christlichen Religion geändert! Die heutigen Eingebornen sind gesittete Leute, erfreuen sich einer Regierung mit zwei Kammern ganz wie in Europa, doch kommen auch Revolutionen vor…
– Ebenfalls wie in Europa?… fällt Yvernes ein.
– Wie Sie sagen, mein lieber Sohn, die Samoaner sind auch nicht gefeit gegen politische Streitereien!
– Das ist auf Standard-Island bekannt, antwortet Pinchinat, denn was wüßte man nicht auf dieser von den Göttern gesegneten Insel, ehrwürdiger Vater! Wir glauben sogar hier zu einer Zeit eingetroffen zu sein, wo kriegerische Verwicklungen zwischen zwei königlichen Familien drohen…
– Ganz recht, meine Freunde, es ist ein Kampf entbrannt zwischen dem König Tupua, der von den alten Herrschern des Archipels abstammt und den wir
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