Die Prophetin von Luxor
angeschlossen. Von keinem hatte man seither etwas gehört.
Genausowenig wie von Hatschepsut. Thut schluckte. Er wußte, daß sie tot war; sie waren zwar Blutsfeinde gewesen, aber auch Blutsverwandte, und er spürte irgendwie, daß sie nicht mehr auf dieser Welt weilte. Die Soldaten, die er nach ihr ausgeschickt hatte, hatten nichts als Spuren gefunden, die mitten ins Rote Meer hineinführten. Keine Leichen, keine Pferde, keine Streitwagen. Wenn sie in ein anderes Land weitergezogen wäre, hätte sie zumindest einen Kurier zurückgeschickt, um ihm das mitzuteilen. Er bezweifelte sehr, daß sie irgendwohin gegangen war. Sie war tot. Vielleicht hatte sich der Wüstengott, der Ägypten zugrunde gerichtet hatte, ein letztes Mal gerächt, indem er die Leichen verschwinden ließ, ein vernichtender Schlag gegen die ägyptischen Totenrituale.
Thut begann auf und ab zu wandern, und der schwere Saum seines blauen Schurzes strich dabei über seine muskulösen Schenkel. Was sollte aus Ägypten werden, wenn es erfuhr, daß Pharao tot und nichts von ihr geblieben war? Ägyptens Selbstwert und persönlicher Stolz beruhten ausschließlich auf den Taten des königlichen Gottesoberhaupts, darum hätte diese Erkenntnis ein weiteres Mal katastrophale Folgen für das am Boden liegende, verzweifelte Land!
Was konnte er unternehmen? Die Menschen wußten nicht einmal, daß sie tot war. Doch lange würde er nicht mehr unter falschem Namen auftreten können. Seit Hatschepsuts Abreise waren beinahe siebzig Tage vergangen. Wie lange konnte er noch als Hatschepsut, ewig möge sie leben!, regieren, ehe man sie für tot erklärte? Natürlich hatte er die Doppelkrone gewollt, doch nie um den Preis von Ägyptens Stolz.
Er hörte Schritte und drehte sich um. Zwei Soldaten traten mit staubigen und von der Reise fleckigen Schurzen in den Raum. Sie salutierten scharf, den Blick fest geradeaus gerichtet. Er bemerkte, daß der Schenkel des Jüngeren bandagiert war. »Leben, Gesundheit und Wohlergehen! Was ist passiert?« fragte er und deutete dabei auf die Wunde.
»Es ist nichts, Meine Majestät.«
Thut zog die Brauen hoch, bedeutete den beiden aber, Platz zu nehmen, und rief dann nach Bier. »Ich will alles hören.«
Der Ältere beugte sich vor. Seine Perücke saß schief, und Thut konnte die sich abschälende Kopfhaut darunter sehen. Sie waren lange in der Sonne gewesen. »Wir haben keinen einzigen Soldaten gefunden, Meine Majestät. Aber wir sind einigen Spuren gefolgt. Sie haben uns zu den Kupfer- und Türkisminen geführt, dort haben sie sich allerdings verloren. Es waren Spuren von zwei Menschen, einen Mann und einem Jungen oder .«
Thuts Hand krampfte sich um den Kelch. Das war doch nicht möglich! »Habt ihr die beiden gefunden?«
»Jawohl, Majestät. Ein Mann und eine Frau, die am Rande des Meeres gelebt haben. Sie hatten ein Haus gebaut und ein kleines Feld bestellt. Wir haben sie überraschen können.«
»Ihr habt sie gefangengenommen?« Thut stellte seinen Kelch ab. »Sie sind hier?«
Der Soldat schluckte schwer und zog die Schultern zurück. »Jawohl, Meine Majestät, wir haben sie gefangengenommen, aber nach einigen Tagen sind sie uns entkommen. Bei einem Kampf, bei dem eine Bergkatze zwei von unseren Soldaten getötet hat. Der männliche Gefangene wurde verwundet. Die Frau hat die Situation ausgenutzt und ein Pferd gestohlen. Majestät«, die Augen des Mannes wurden groß, »sie ist auf dem Rücken des Tieres geritten!«
Das konnten nur die beiden sein, dachte Thut. »Und dann?«
»Sie und der Mann sind ins Herz des Wüstengebirges geritten.«
»Habt ihr nach ihnen gesucht?«
»Ja. Mehrere Tage lang. Die Bergkatze hat sie verfolgt, ich bezweifle also, daß sie noch leben. Wir hatten nur noch wenig Wasser übrig und sind nach Westen zum Inländischen Meer aufgebrochen. Zwei Soldaten haben sich bereit erklärt, zurückzubleiben und die Suche fortzusetzen.«
Thuts schlammigbraune Augen ruhten auf dem Soldaten, der daraufhin den Blick senkte. »Die Frau hatte grüne Augen.« Es war eine Feststellung.
Der Soldat nickte. »Jawohl, Meine Majestät.«
»Der Mann hat sich wie eine Katze bewegt und hatte goldene Augen?«
»Ja.«
Thut seufzte. Natürlich hatte er nie daran gezweifelt, daß sie Hats Justiz entkommen waren, und so hatte er sich während der
vergangenen Wochen immer wieder flüchtig gefragt, ob sie zusammen mit den Israeliten geflohen oder nur zur selben Zeit aufgebrochen waren. Man hatte ihn informiert, daß Cheftu
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