Die Prophetin von Luxor
von Jahren alt sein konnte? In der Bibel wurde von Männern erzählt, die achthundertnochwas Jahre alt geworden waren. Die Bibel stellte sich allmählich als viel genauer heraus, als sie ursprünglich geglaubt hatte.
»Bist du unsterblich?«
Seine Miene verriet aufrichtiges Entsetzen. »Das mögen die Götter verhüten! Ich bin nicht unsterblich, nur langlebig. Es ist ein Geschenk und ein Fluch zugleich. Aber ich werde noch viel Dynastien kommen und gehen sehen, bevor ich an den Gestaden der Nacht anlegen werde.«
»Du hast also alle Zeit der Welt und reist einfach nur herum?« fragte Chloe. Er wirkte so ruhig, als spräche er nichts als die Wahrheit. Vielleicht spielte sie am besten einfach mit.
Er seufzte. »Nicht freiwillig. Zuletzt war ich am Hof von Thutmosis I. Ein großartiger Pharao und Begründer dessen, was sich bislang als Gipfel der ägyptischen Zivilisation erweist. Eine eindeutige Verbesserung gegenüber den Hyksos.« Er schauderte. »Die wußten die Feinheiten der ägyptischen Religion und Bräuche kein bißchen zu schätzen. Ausschließlich ihre verdammten Pferde.« Er schüttelte den Kopf.
»Aber ich schweife ab. Am Hof Thutmosis’ I. war ich Leibarzt. Er war ein großer Mann, wenn auch ein wenig aufbrausend. Und mit trägem Darm. Mir will einfach nicht in den Kopf, wieso er nicht mehr Datteln essen wollte. Haii! Aset, seine Lieblingsfrau wurde schwanger, und wie die meisten großen Männer hoffte er daß sie ihm einen Sohn gebären würde, in dem sich sein Name und sein Stamm fortpflanzen würden.
Er rief mich, damit ich ein Horoskop für die Zukunft des Kindes lege. Die Zeichen sagten mir, daß dieses Kind durch einen Sklavenprinzen vom Thron gestoßen würde.« Er hielt inne und blickte lange auf das vergessene Spiel. »Ich war zu schwach. Mir war klar, daß Pharao mit dieser Auslegung keinesfalls zufrieden wäre, und so habe ich gelogen. Ich habe ihm erzählt, der Prinz würde zum größten Führer aufsteigen, den Ägypten je gekannt hätte. Thutmosis glaubte mir, weil ich die Dreistigkeit hatte zu behaupten, daß sein Sohn sogar ihn übertreffen würde. Die Monate gingen ins Land. Äset wurde immer runder, und eines Nachts gebar sie ein Kind. Die ägyptischen Ärzte sind bei einer Geburt nicht dabei; normalerweise erledigen das die Hebammen. Ich ging trotzdem zu ihrem Gemach, doch man verwehrte mir den Eintritt. Pharao war auf einem seiner vielen Feldzüge.
Asets Kind kam tot zur Welt.
Sie hatte Hathor eine große Gebetskammer errichtet, doch nun sah es so aus, als hätte die Große Herrin sie im Stich gelassen. Um allen Fragen zu entgehen und um sich wieder zu fassen, ließ sie sich von dem schnellsten Schiff am Hof in die ehemalige Hauptstadt Avaris bringen. Dort stand unversehrt der Palast der Hyksos, und Aset beschloß, daß sie sich dort erholen und überlegen konnte, was sie Pharao erzählen sollte.« Wieder hielt er inne, um auf seine runzligen Hände zu blicken. »Ich bin ihr auf einem zweiten Boot gefolgt. Als ich dort ankam, schaukelte Aset einen gesunden Jungen auf ihren Knien. Pharao traf ebenfalls ein und erklärte, daß Ramoses ein vollkommenes Kind sei und Horus-im-Nest werde.«
Chloe beugte sich vor.
»Leider«, meinte Imhotep mit einem spröden Lächeln, bei dem er seine Zähne entblößte, »wurde mein schlechtes Gewissen inzwischen übermächtig. Ich sollte das Kind in Pharaos Gegenwart untersuchen, und für mich war offensichtlich, daß dieser Junge älter war, als er hätte sein dürfen. Die Warnung, die ich in den Sternen gelesen hatte, ließ mich kurzfristig tapfer werden, und ich denunzierte die Königin, indem ich verkündete, daß das Kind zu weit entwickelt war und infolgedessen unmöglich aus ihrem Leib gekommen sein konnte. Ich sagte, sie habe ein totes Kind zur Welt gebracht.
Ich wußte nicht bestimmt, wer dieses Kind war, aber ich vermutete, daß es ein Apiru-Säugling war, da deren Kinder in großer Gefahr waren. Pharao war die brodelnden Unruhen leid und hatte bestimmt, daß alle männlichen Säuglinge noch vor dem ersten Stillen getötet werden sollten. Er sah in den Kindern nichts als zukünftigen Aufruhr, und er wollte keinen weiteren Ausländer auf dem roten und schwarzen Thron sehen, nachdem Ägypten eben erst die Hyksos abgeschüttelt hatte.« Imhotep nahm einen kleinen Schluck Wasser, bevor er fortfuhr:
»Das hätte mich fast meinen Kopf gekostet.« Er lachte schwach. »Rasend vor Wut, stürzte sich Pharao auf mich. Natürlich wäre sein Sohn
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