Die Prophetin von Luxor
schweren Ohrringe kein bißchen weich wirkten.
»Edler Herr Cheftu«, stieß Nesbek zähneknirschend hervor. Er sah Chloe wieder an. »Ich werde unsere Hochzeit abwarten, meine Herrin.« Dann ging er zur Tür, wo der Ägypter im Umhang den Kopf neigte.
»Leben, Gesundheit und Wohlergehen, edler Herr Nesbek«, sagte der Mann, doch die Worte klangen wie ein Fluch.
Chloe spannte die Muskeln an und versuchte, das Zittern darin zu unterdrücken. Zwar war Nesbek verschwunden, doch dafür stand nun dieser arrogante Cheftu im Zimmer und durchbohrte sie mit Blicken. Sie stellte sich seinem Blick und schauderte angesichts der Feindseligkeit, die ihr daraus entgegensprang.
»So, meine Herrin«, sagte er mit tiefer, eiskalter Stimme, »sehen wir uns also wieder. Leben, Gesundheit und Wohlergehen wünsche ich dir. Meine Glückwünsche zu deiner Verlobung. Ich nehme an, diesmal wirst du bei der Trauung anwesend sein?« Chloe starrte ihn an. Er setzte nochmals nach, mit einem kalten Lächeln, bei dem sie seine weißen, ebenmäßigen Zähne sehen konnte. »Freust du dich schon darauf?«
Chloe schüttelte heftig den Kopf.
Er zog eine geschminkte Braue hoch. »Wenn nicht auf das Ehegelübde, dann doch vielleicht auf das Ehebett? Mit wem auch immer du es teilen wirst?«
Chloe biß unter seinen Bemerkungen die Zähne zusammen. Diese halluzinogene Droge sagte ihr ganz und gar nicht zu. Doch die Überzeugung, einen Drogenrausch zu erleben, wurde ohnehin mit jeder Sekunde schwächer. Dazu waren die Einzelheiten zu eindringlich, die Empfindungen zu real. Was für Alternativen gab es noch?
Keine, die auf geistige Gesundheit schließen ließen.
Cheftu seufzte. »Ich bin nicht hier, weil es mir besonderes Vergnügen bereitet, dich aus der Umarmung deines Verlobten zu retten. Meine Majestät Hatschepsut, ewig möge sie leben!, hat mich gebeten, dich zu untersuchen, also tritt bitte näher und setz dich an den Tisch.« Mit diesen Worten legte er seinen goldbestickten Umhang ab. Mit einem kurzen Klatschen holte er zwei weitere Besucher ins Zimmer, nämlich zwei etwa zwölf Jahre alte W’rer-Priester. Ihre Köpfe waren kahlgeschoren bis auf die Jugendlocken, und sie trugen schlichte Schurze mit schmucklosen Ledergürteln. Einer schleppte eine große geflochtene Kiste herein, der andere legte sorgsam Cheftus Stab und Umhang beiseite.
Chloe konnte den Blick nicht von ihm wenden. Sie hatte sich immer noch nicht an die ausgefeilten Kostüme gewöhnt, die jeder hier trug, und Cheftu sah haarscharf aus wie das Abbild eines alten Ägypters - und wie der Traumprinz jeder Frau. Er war breitschultrig, langbeinig, und überall an ihm glitzerte Gold, von dem breiten Kragen um seine Brust angefangen über die Armbänder, die sich um seine ansprechenden, muskulösen Oberarme schmiegten, bis zu dem goldenen Skarabäusring mit einem Tigerauge und den schwarz umrahmten, mit Goldpuder bestäubten Augen.
Nur daß seine Augen nicht dunkel waren, so wie sie es bei allen anderen hier gesehen hatte und inzwischen auch erwartete. In seinen mischten sich Bernstein, Topas und Gold, und umrahmt waren sie von dichten, schwarzen Wimpern, die seine lange, gerade Nase hervorhoben.
Sie senkte den Blick und durchsuchte den Geist der »anderen« nach einem Hinweis auf diesen Mann. Als sie ihn erhielt, riß sie überrascht den Kopf hoch und gab sich alle Mühe, ihn nicht mit offenem Mund anzustarren. Er war ihr inzwischen näher gekommen, hatte seine Kiste geöffnet und zog nun verschiedene Metallgeräte heraus.
»Erst müssen wir dich untersuchen.« Ohne ihren Blick zu erwidern, rief er über die Schulter: »Keonkh! Du zeichnest unsere Befunde auf.« Einer der Jungen ließ sich auf dem Boden nieder, schlug die Beine übereinander und strich den Schurz darüber glatt, so daß eine Art Schreibfläche entstand. Der andere Junge füllte geschäftig Wasser in ein schwarzes Stempelkissen und zwirbelte die Haare eines Pinsels zu einer feinen Spitze.
»Wir sind bereit, Hemu neter Cheftu«, sagte der Junge namens Keonkh, der offenbar im Stimmbruch war.
»Sehr gut.« Cheftu schenkte dem Jungen einen aufmunternden Blick. »So, Batu«, wandte er sich an den anderen, »wie beginnen wir mit der Untersuchung?«
Der Junge trat vor und sah Chloe an, die schweigend auf ihrem Nachtlager saß. »Gesundheit, Wohlergehen und Leben, große Priesterin«, sagte er. Dann wandte er sich an Cheftu und antwortete: »Als erstes untersuchen wir ihre Farbe, dann die Ausscheidungen ihrer Nase,
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