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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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leise und erreichte den Korridor. Er war allein. Er hatte Raphael absichtlich in der Menge verloren. Alle seine Sinne waren geschärft und hellwach.
    Er hatte noch nie zuvor einen Priester ermordet. Die heiligen Grotten bestanden genaugenommen aus einem Gewölbe unter dem Petersdom, das in kleine Kapellen unterteilt war. Darin befanden sich die Krypten von Päpsten und Herrschern. Ein deutscher Kaiser aus dem zehnten Jahrhundert war hier begraben, unter anderem auch Hadrian IV. der einzige englische Papst, Königin Christina von Schweden und James II. von England.
    Ihre eiligen Schritte hallten auf dem Marmorboden, während Sebastian erklärte: »Die römische Nekropole wurde 1939 entdeckt. Als man mit den Arbeiten für eine Erweiterung der Grabkapelle von Pius XL begann, stießen die Arbeiter auf eine Mauer, die eigentlich nicht vorhanden sein sollte. Man stellte fest, daß diese Mauer eintausendsechshundert Jahre alt war, und zog Archäologen hinzu.«
    Er führte sie an kleinen Kirchenbänken vorbei, an bescheidenen Altären und geschmückten Sarkophagen.
    Schließlich erreichten sie eine prächtige Kapelle mit einem blau und gold ausgemalten Giebel und mehreren Gebetbänken, die vor der Krypta von Papst Clemens standen.
    Vater Sebastian suchte unter seinen Schlüsseln den passenden für eine unbeschriftete Tür in der reich verzierten Wand. Seine Hände zitterten etwas, als er berichtete: »Die Archäologen machten erstaunliche Ent-deckungen! So fanden sie auch die Gebeine des heiligen Märtyrers, der an dieser Stelle, im Circus des Caligula, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt worden ist. Ich spreche natürlich vom heiligen Petrus«, fügte er in einem ehrfürchtigen Ton hinzu.
    Catherine lief ein Schauer über den Rücken. Ängstlich blickte sie den dunklen Weg zurück, den sie gekommen waren, und fragte sich beunruhigt, ob Havers oder einer seiner Killer ihnen möglicherweise hierher gefolgt war und irgendwo in den Schatten lauerte. Auch wenn sie nichts sah, die Angst ließ sich nicht abschütteln. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Havers vielleicht sogar selbst hinter einer Säule hervortrat und mit seinem weltweit bekannten Lächeln sagte: »Jetzt können Sie mir die Schriftrollen geben.« Und dann würde sein Killer mit der häßlichen Narbe… Energisch vertrieb sie diese absurden Vorstellungen und dachte an den riesigen Schwarm von Menschen in und um den Petersdom. Wußte einer von ihnen, daß sie und Michael sich hier unten befanden?
    Die siebte Schriftrolle konnte Geheimnisse enthüllen und Beweise bringen, die den Vatikan mit dem Papst an der Spitze weit stärker als ein Erdbeben erschüttern würden. Die siebte Rolle konnte den Untergang dieser skrupellosen und doktrinären Macht einläuten, die auf der ganzen Welt Menschen zu ihren Werk-zeugen gemacht und ihre Glaubensbereitschaft enttäuscht und mißbraucht hatte.
    Männer der Kirche hatten über die vielen Jahrhunderte hinweg mit allen Mitteln nach der Weltherrschaft gestrebt. Frauen waren bis heute Randfiguren auf der kirchenpolitischen Bühne geblieben.
    Würde eine Frau, die vor fast zweitausend Jahren für ihren Glauben zur Märtyrerin geworden war, diese Kirche an der Jahrtausendwende mit der Wahrheit konfrontieren? Vater Sebastian fand den Schlüssel und drehte ihn im Schloß. »Den Circus gibt es natürlich nicht mehr«, berichtete er weiter, »aber wir wissen, daß er sich an dieser Stelle befand. Die Archäologen haben Beweise dafür entdeckt. Wie auch immer, nach alter Überlieferung…. bitte, passen Sie hier auf!« warnte er, hob die Soutane und ging mit eingeschalteter Taschenlampe voraus. »Die Überlieferung sagt, daß der Leichnam des Heiligen Petrus von seinen Anhängern heimlich hier begraben wurde. Dreihundert Jahre später, zur Zeit des Kaisers Konstantin, stand das ursprüngliche Heiligtum noch. Der Kaiser ließ hier seine neue Basilika errichten. Als man die Gebeine entdeckte…« Catherine kannte die Geschichte. Auch ihre Eltern hatten die Ansicht vertreten, daß es sich bei dem Skelett unter dem Hauptaltar tatsächlich um Petrus handelte. Als Archäologin hatte Catherine gelernt, skeptisch zu sein. Sie kannte jedoch die geradezu besessene Beschäftigung der Christen mit Reliquien.
    Deshalb erschien es auch ihr glaubwürdig, daß die Gebeine des Apostels unter dem Petersdom ruhten.
    »Als Konstantin im vierten Jahrhundert beschloß, eine große Basilika zu bauen«, fuhr Vater Sebastian fort und führte sie in die Dunkelheit,

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