Die Prophetin
ist gestern vor dem Dom eine katholische Buchhandlung aufgefallen. Und ich dachte, dort würde ich finden, was wir brauchen.«
»Was hast du gesucht?«
Sie öffnete die Tasche, die sie von der Äbtissin hatte, und nahm den gelben Notizblock heraus, auf dem ihre Übersetzung der Schriftrollen stand. »Bevor ich aus dem Kloster geflohen bin«, sagte sie, »habe ich den Text der Handschrift des Thomas von Monmouth kopiert. Irgend etwas daran hat mich seit dem ersten Lesen nicht mehr losgelassen.«
Er verschränkte die Arme. »Nun ja, natürlich die Fehler…«
»Sind es wirklich Fehler? Denk darüber nach, Michael. Wenn man den Text analysiert, stellt man fest, daß die Fakten alle stimmen. Sie sind nur in einen falschen Zusammenhang gestellt. Und das beschäftigt mich schon die ganze Zeit. Heute nacht ist es mir klargeworden. Sieh dir das an.«
Sie schlug den Notizblock auf und legte ihn auf den Tisch am Fenster, wo das Licht darauf fiel.
»Sagen wir, das ist unsere Sabina. Wir wissen, daß sie in Stonehenge war, soviel ist richtig. Sie war nicht mit Cornelius Severus verheiratet, aber sie gehörte zu seinem Gefolge. Jetzt zu den anderen Tatsachen.«
Catherine wies auf den Satz: »Sie hinterließ sechs Bücher über Alchimie und Zauberei, die später zusammen mit der Priesterin Valeria am heiligen Ort begraben wurden.«
»Sechs Bücher über Alchimie und Zauberei«, fuhr Catherine fort. »Auch das stimmt. Jetzt hier – ›Valeria‹.
Nehmen wir als erstes das Wort ›Priesterin‹ und ersetzen es durch ›Diakonin‹.« Sie strich das Wort durch und schrieb das neue darüber. »Das ergibt immer noch keinen Sinn.«
»Es ergibt Sinn, denn wenn du ein fehlendes Teil in das Puzzle einfügst, wird alles klar.«
»Und was ist das?«
»Tymbos«, sagte sie und sah ihn triumphierend an. »Aber von Tymbos ist hier überhaupt nicht die Rede.«
»Nicht von einer Person, Michael. Wir haben uns zu große Mühe gegeben, ›König‹ Tymbos zu finden!
Damit haben wir uns das Leben unnötig schwergemacht. Die Lösung des Rätsels lag die ganze Zeit auf der Hand. Und das ist mir im Schlaf aufgegangen.« Sie lachte glücklich und rief: »Michael, ›Tymbos‹ ist das griechische Wort für ›Grab‹!«
»Grab?«
»Paß auf! Wenn wir ›mit… begraben‹ durch das ›Grab‹ ersetzen…« Catherine strich hastig Wörter durch und ersetzte sie durch andere, bis sie einen ganzen neuen Satz hatte. »Sabina hinterließ sechs Bücher über Alchimie und Zauberei, die später die Diakonin Valeria mit ins Grab nahm.«
»Und Perpetua«, sagte Michael verblüfft, »hat, wie das bei den Christen dieser Zeit üblich war, das Wort
›König‹ hinzugefügt, um das Ganze zu einem Rätsel zu machen. ›…bringe es zu König Tymbos, bringe es in das Königreich…‹«
»›… in das Königreich Gottes‹«, ergänzte Catherine. Michael runzelte die Stirn. »Sie ist also mit der siebten Schriftrolle an einem heiligen Ort begraben worden…«
»Nein, Michael, nicht an einem heiligen Ort, sondern am heiligen Ort.«
»Welcher heilige Ort soll das sein? Hast du eine Idee?«
»Was wäre für dich der heilige Ort schlechthin gewesen, wenn du vor zweitausend Jahren als Christ gelebt hättest?«
»Ich kann mir nur drei vorstellen.«
»Ich auch«, sagte sie, »und deshalb habe ich beschlossen, in die Buchhandlung am Dom zu gehen. Es war eine kühne Vermutung, aber…« Sie ging zum Bett, nahm das Päckchen, wickelte es aus und reichte Michael ein Buch. Er blickte auf den Titel: Frühchristliche Märtyrer. »Schlag Seite 32 auf.«
Er blätterte. ›»Valeria‹«, las er laut vor, »›starb etwa 142 nach Christus.‹« Er sah Catherine an. »Das Datum paßt, aber trotzdem sehe ich immer noch nicht…«
»Am Ende der Seite. Lies weiter.«
Zwei lateinische Wörter fielen ihm ins Auge: »Amelius Valerius.«
»›Tochter des Amelius Valerius.‹«, las Michael. »Sie war die Tochter des Amelius Valerius. Sie war demnach Amelia Valeria!«
»Und wurde offenbar als Valeria bekannt.«
»Zumindest kennt die Kirchengeschichte sie unter diesem Namen! Wir haben sie als Amelia kennengelernt, denn diesen Namen benutzte Perpetua! Deshalb haben wir sie auch trotz all unserer Bemühungen nirgends entdeckt. Michael, damit haben wir die siebte Schriftrolle gefunden!«
Santa Fe, New Mexico
Miles befand sich in seinem Museum im Untergeschoß, dem sichersten Platz auf seinem riesigen Anwesen.
Niemand, nicht einmal das Personal, geschweige denn
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