Die Prophetin
geschnittenen weißen Haaren. Ich weiß genau, daß ich ihn schon einmal gesehen habe. Aber wo? Natürlich, da steht er direkt vor meinen Augen! Ich blickte in den vergangenen zwei Jahren beinahe jeden Tag auf diesen häßlichen Kerl. Er arbeitet für…«
»Mein Gott«, flüsterte Catherine. »Wer ist es?«
Sie schob den Computer etwas zur Seite, damit er den Monitor sehen konnte: ›Lhkdr Gzudqr‹, stand dort.
Garibaldi kniff die Augen zusammen und murmelte: »Miles Havers… das Computer-Genie?«
Santa Fé, New Mexico
Teddy Yamaguchi wußte, daß viele Leute dachten, er sei lebendig begraben. Die Leute irrten sich.
Computer waren sein Leben, und es gab auf der ganzen Welt keinen anderen Ort, an dem er in diesem Augenblick hätte sein wollen. Er befand sich im modernsten Kommunikationszentrum, das sich nur jemand wie Miles Havers, der reichste Mann der USA, leisten konnte. Teddy, der mit achtundzwanzig gerade das College absolviert hatte, wurde für seine Arbeit fürstlich entlohnt. Er wohnte wie in einem Luxushotel mietfrei in einem nach seinen Wünschen eingerichteten Bungalow auf dem riesigen Anwesen. Es machte ihm nichts aus, daß er sich vierundzwanzig Stunden am Tag dienstbereit halten mußte. Der Job für Miles Havers war die Erfüllung all seiner Träume, denn Teddy konnte auch in seiner Freizeit die Anlagen im Kommunikationszentrum uneingeschränkt benutzen. Manchmal bekam er wirklich schwierige Aufgaben, deren Lösung eine echte Herausforderung darstellte, aber in dieser Nacht war alles einfach. Sein Boß hatte gesagt: »Finden Sie Dr. Catherine Alexander.«
So etwas war kaum mehr als Routine.
Teddy trug wie immer eine schwarze Nylonhose und ein weißes T-Shirt. Die hoch rasierten dichten schwarzen Haare krönten wie ein Helmbusch seinen schmalen Kopf, und in den beiden goldenen Ohrringen brach sich hin und wieder das Licht der Wand mit den Großbildschirmen, die ihm Informationen aus aller Welt einspielten. Es sah aus, als käme Teddy gerade aus einer Star-sound-Disco und nicht aus seiner ver-kabelten Hacker-Schüssel, dem futuristischen Schlafzimmer, wo er sich gerade einen alten Filmklassiker angesehen hatte, als Havers ihn rief. Teddy setzte sich vor den 4000 210 Mhz 4-Gig HDD-Computer mit einem 128.000-bps-Modem – für ihn schon ein Oldtimer mit nostalgischem Wert. Diese Anlage würde nach der Jagd auf die Archäologin gegen ein neues, schnelleres und sehr viel komfortableres Modell ausgetauscht werden. Er wartete auf Signale von Catherine Alexanders Kreditkarten-Konto, dem Bankkonto, den Telefonkarten und Benzinkarten. Auch ihre Nummer der Sozialversicherung ließ er überwachen. Er hatte selbstverständlich auch die Nummern ihrer Bibliothekenausweise eingegeben – im Grunde alles, was irgendwo in einem Computersystem auftauchen konnte.
Als unschlagbarer Hacker hatte Teddy die Systeme, in denen Catherine Alexanders Kreditkarten geführt wurden, fest im Griff. Außerdem überprüfte er das Nummernschild des Leihwagens, in dem sie geflohen war, und durchsuchte ihre persönlichen Daten nach Hinweisen, wohin sie gefahren sein mochte. Mit all diesen Informationen, die rund um die Uhr aktiviert waren, würde er sie ganz bestimmt aufspüren.
Teddy mußte unwillkürlich lachen. Es war wie in Pulse, seinem Lieblingscomputerspiel: >Suche die Frau, den Schatz und das goldene Symbol und finde den Ausgang des Labyrinths, bevor dich Gordon überfällt und ausschaltete.
Niemand hatte bis jetzt die Rekordzeit unterboten, mit der Teddy in Pulse das Ziel erreichte. Ebensowenig würde es einem anderen gelingen, Catherine Alexander auf Anhieb zu finden. Er griff nach ein paar Snacks in der Schale neben ihm – Schokoladen-Popcorn und Gummibärchen mit einem Überzug aus braunem Zucker und Kaffee –, kaute langsam und hatte das Gefühl, mit Vollgas über die digitalen Datenautobahnen zu jagen. Man stelle sich das vor! Für diesen unvergleichlichen Spaß wurde er auch noch bezahlt…
Manchmal konnte Teddy sein Glück nicht fassen. Bald, nachdem er 1995 sein Studium an der Stanford University begonnen hatte, wurde er verhaftet und angeklagt. Man warf ihm vor, über das Internet kom-merzielle Software im Wert von mehreren Millionen Dollar verschoben zu haben. Diese Software war von Dianuba Technologies, der Gesellschaft von Miles Havers, gestohlen worden. Man sprach von dem größten aufgedeckten Einzelfall von Software-Piraterie. Aber die Anklage wurde von einem Richter niedergeschlagen, der entschied,
Weitere Kostenlose Bücher