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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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auf. Er ergriff meine Hände und drückte sie. Als er sich zum Gehen wenden wollte, hielt ich seine Hände fest. »Geht nicht.«
    Mit unsicherem Blick sah er zu mir hinunter. »Möchtet Ihr, dass ich noch ein Weilchen bleibe?«
    Ich schwieg. Ich wusste, dass ich Bruder Edmund jetzt fortschicken sollte. Aber ich konnte mich nicht von ihm trennen.
    »Bleibt bei mir.«
    Ich konnte nicht atmen. Es war, als steckte ich wieder in einem von Gertrudes engen Miedern. Er entzog mir seine Hände nicht, aber ich spürte seine Anspannung.
    »Ich weiß nicht, was Ihr von mir wünscht, Schwester Joanna«, sagte er.
    Ich blickte in sein Gesicht, das Verwunderung spiegelte und eine Vorsicht, die ich bisher nicht von ihm gekannt hatte. Doch seine Lippen öffneten sich, als hätte auch er Mühe zu atmen.
    Ich wusste, dass es Sünde war. Dennoch schob ich meine Arme um ihn. Ich schob sie höher und höher seinen straffen Rücken hinauf. Ich hob mein Gesicht dem seinen entgegen und schloss angstvoll die Augen. Ich hatte geglaubt, Bruder Edmunds Körper würde kühl sein; doch er war warm und mager und bis zum Äußersten angespannt.
    Ich wartete mit geschlossenen Augen. Nach einer Ewigkeit berührten seine Lippen die meinen, doch so sachte, dass ich beinahe meinte, ich täuschte mich. Nie hatte ich eine so zarte Berührung erfahren. Ich sehnte mich nach mehr.
    Doch er trat abrupt von mir weg, und ich stand allein. Meine Augen waren noch immer geschlossen, ich schwankte ein wenig.
    »Das ist unrecht«, sagte er. »Erinnert Ihr Euch an die Nacht in Amesbury? Damals habe ich vor Gott geschworen, dass ich niemals Euren Glauben und Euer Vertrauen zu mir verletzen würde.«
    Die Scham überwältigte mich beinahe.
    »Wir haben heute gemeinsam so vieles darüber gelernt, was vielleicht in der Zukunft geschehen wird«, fuhr er fort. »Es könnte sein, dass die Klöster von Neuem erstehen. Das ist ein Teil der Prophezeiung. Schwester Joanna, wie könnten wir unseren Brüdern und Schwestern ins Auge sehen, wie könnten wir unseren Platz unter denen einnehmen, die wir lieben, wenn wir jetzt der Schwäche nachgeben? Wir haben das Keuschheitsgelübde abgelegt – wir wären Wortbrüchige.«
    Ich nickte und wandte mich ab, blind vor Scham.
    »Weint nicht, bitte. Weint nicht«, bat er bekümmert. Dann sagte er: »Ich gehe jetzt – ich muss gehen.« Und ohne auf ein Wort von mir zu warten, verließ Bruder Edmund das Kalefaktorium.
    Ich blieb noch einen Moment reglos stehen, dann ging ich zu dem Strohsack, den er mir hingelegt hatte. Das Feuer knistertelaut und fröhlich wie zum Hohn. Ich starrte in die züngelnden gelben Flammen. Was ich getan hatte, war so schwach, so verächtlich. Ich konnte nicht glauben, dass es geschehen war.
    Jetzt verstand ich, was das Böse war – ich begriff die hinterhältige Macht des Teufels. Wie anders war es zu erklären, dass ich mich Bruder Edmund auf diese Weise angeboten hatte? Der Teufel hatte von meinem Körper und meiner Seele Besitz ergriffen. Und ihm gerade hier zu erliegen – an einem Ort, der vor wenigen Wochen noch ein geweihtes Kloster gewesen war –, das war doppelt scheußlich. Ich sehnte mich nach dem Sakrament der Buße. Auf Knien wollte ich mein sündiges Begehren beichten und um Absolution bitten. Wenn meiner Seele Gnade gewährt wurde, konnte ich der Sünde widerstehen.
    Doch ich musste auch Bruder Edmund um Verzeihung bitten. Und es durfte keine Wiederholung geben. Was an diesem Abend geschehen war, durfte nie wieder geschehen. Denn ohne Bruder Edmunds Freundschaft konnte ich nicht leben. Das war das Wichtigste. Nichts auf Erden ist höher zu preisen als wahre Freundschaft , hatte er in Howard House zu mir gesagt. Ich musste mich seiner Freundschaft würdig erweisen.
    Nachdem ich dies beschlossen hatte, wurden mir die Augen so schwer, dass ich nur noch auf meinen Strohsack sinken konnte, um zu schlafen.
    Grobe Hände rissen mich von meinem Lager. Ich wurde hochgehoben und geschüttelt, dass meine Beine haltlos in der Luft schwangen.
    Der Herzog von Norfolk schlug mir mit harter Hand ins Gesicht. Ich hörte ein feines inneres Knacken, und im selben Moment durchschoss mich ein heißer Schmerz vom Kopf bis zur Schulter.
    »Was seid Ihr doch für ein missratenes Weib«, brüllte Norfolk. Sein Speichel traf meine Stirn.
    Ein halbes Dutzend Männer drängte ins Zimmer. Hinter Norfolk stand Bischof Gardiner. Von Bruder Edmund war keine Spur zu sehen.
    »Ihr haltet Euch wohl für schlau, wie?«, fuhr

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