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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Norfolk mich an. »Diese törichte Gans, Catherine, zu überreden, Euch bei der Flucht mit einem gewissenlosen Mönch zu helfen. Aber meine Männer sind keine Dummköpfe. Sie haben zwei Damen weggehen und nur eine zurückkommen sehen. Sobald man mich unterrichtet hatte, habe ich meine Männer in Southwark und London und Dartford nach Euch suchen lassen – die ganze Nacht. Erst als wir bei Morgengrauen endlich auf diesen Buckligen gestoßen sind, haben wir von dem blonden Mann und der dunklen Frau gehört, die nach Blackfriars wollten.«
    Der Bucklige, der uns an der London Bridge seine Dienste angeboten hatte, schob sich hinter einem von Norfolks Leuten hervor und rief, mit dem Finger auf mich zeigend: »Das ist die Frau, das ist sie.«
    »Natürlich ist sie es«, schrie Norfolk ihn gereizt an. »Gebt diesem Speichellecker einen Schilling und einen Tritt, damit er endlich verschwindet.«
    Meine linke Wange brannte von dem Schlag, aber viel schlimmer war es um meinen Nacken bestellt. Ich konnte mich nicht einmal gerade aufrichten, sondern nur gekrümmt stehen, eine Hand an meiner schmerzenden Schulter. »Wo ist Bruder Edmund?«, fragte ich.
    Bischof Gardiner sagte unbewegt: »Er ist in den Winchester-Palast gebracht worden, um dort mein Urteil abzuwarten.«
    Norfolk hatte sich noch immer nicht beruhigt. »Hierherzukommen und den Pförtner zu belügen, Euch als Geschwister auszugeben und dann dieses Kloster zu besudeln – ich dachte, ich hätte alles gesehen, was die Welt an Verworfenheit zu bieten hat, aber das … das …« Er geriet ins Stocken.
    »Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen«, sagte ich.
    »Ihr seid mit diesem Bruder hierhergekommen, um Unzucht zu treiben«, donnerte Norfolk. »Ihr mögt andere hinters Licht führen mit Eurem Novizinnengehabe, aber mich täuscht Ihr nicht. Ihr seid nichts Besseres als eine Hure, Joanna Stafford.«
    »Nein«, entgegnete ich.
    Es kostete mich meine ganze Kraft, mich trotz der quälenden Schmerzen gerade aufzurichten. Ich sah Gardiner an, nicht Norfolk. »Wir sind nach Blackfriars gekommen, um zu lernen«, sagte ich. »Um zu beten. Das ist die Wahrheit.«
    In Gardiners Augen sprühte ein Funke auf. Es hätte Mitleid sein können. Oder auch Verachtung. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Norfolk ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    »Um zu lernen ?«, höhnte er. »Aber Ihr lernt ja nicht – Ihr lernt gar nichts. Im letzten Jahr seid Ihr verhaftet worden, dieses Jahr ist Euer Kloster aufgelöst worden. Jede Frau mit einem Funken Verstand hätte inzwischen begriffen, dass die Zeiten für Nonnen und Mönche und Ordensbrüder vorbei sind. Es gibt keine Klöster mehr. Und wer das nicht akzeptieren will, muss zu Staub zermalmt werden. Am Ende des Jahres werden wir das letzte Zerstörungswerk erleben.«
    »Was gibt es denn noch zu zerstören?«, fragte ich trostlos. »Es ist doch schon alles vernichtet.«
    »Ihr irrt, wie immer«, versetzte Norfolk. »Der König hat die Wallfahrtsstätte Thomas Beckets schon räumen und schließen lassen, und in der Nacht des 28.  Dezember werden nun seine Leute auch noch die Gebeine des Heiligen aus der Kathedrale von Canterbury entfernen. Wenn am nächsten Morgen die letzten Pilger zur Feier von Beckets Todestag eintreffen, werden sie nichts als einen zerstörten Schrein vorfinden. Der König hat befohlen, den Sarg und die Gebeine zu verbrennen. So enden alle Pfaffen, die sich ihrem gesalbten Herrscher widersetzen.«
    Dass etwas so Monströses geschehen könnte, war mir nie auch nur in den Sinn gekommen. Es war eine Qual – weit schlimmer als die körperliche Pein, die Norfolk mir zugefügt hatte – zu wissen, dass unser geliebter und verehrter Heiliger auf solche Weise geschändet werden sollte. Die Schätze des Heiligen zu plündern und die Wallfahrtsstätte für die Pilger zu schließen war Frevel genug. Aber nun auch noch seine sterblichen Überreste zu entweihen …
    Ich bekreuzigte mich mit zitternder Hand. Ich blickte Gardiner an. Sein Gesicht war marmorbleich. Er musste so entsetzt sein wie ich, seine Züge jedoch verrieten keinerlei Gefühl.
    »Ihr werdet nach Stafford Castle gebracht«, sagte Norfolk, »dort könnt Ihr verrotten. Bei Gott, und wenn ich Euch eigenhändig auf ein Pferd binden müsste, Ihr reist. Aber vorher habt Ihr noch eine Pflicht zu erfüllen.«
    »Eine Pflicht?«, wiederholte ich.
    »Der Marquis von Exeter und Baron Montague wurden gestern des Hochverrats für schuldig befunden. Nach dem Willen

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