Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
Vom Netzwerk:
Mann, der Heere in die Schlacht führte. Er hatte den Tod von Männern und Frauen – ja, selbst von Kindern – befohlen.
    »Wollt Ihr mich im Angesicht von Cromwells Leuten schlagen?«,fragte ich. »Wenn Ihr mich zwingen wollt, Euch zu folgen, müsst Ihr mich niederschlagen und mitschleifen, Durchlaucht. Doch ist es klug, auf Euch aufmerksam zu machen, wenn bereits der gesamte Hochadel des Königreichs unter Verdacht steht? Montague hat es gesagt: Ihr seid der Letzte.«
    Norfolks Lippen bebten. Er sah aus, als würde er mich am liebsten mit bloßen Händen erwürgen. Ich bemerkte, dass sein Sohn uns beobachtete.
    »Ich werde keiner Menschenseele die Wahrheit über Margaret verraten – Ihr habt mein Wort vor Gott darauf«, sagte ich. »Aber nur, wenn Ihr mich hier zurücklasst. Ich gehe jetzt zu den Beerdigungen. Und dann reise ich nach Dartford. Ihr werdet mich nie wiedersehen. Ich will mit Eurer Familie nichts mehr zu tun haben und ebenso wenig mit irgendeinem der Adelshäuser oder dem königlichen Hof.« Ich hielt einen Moment inne. »Aber zuvor spreche ich im Winchester-Palast vor und hole Bruder Edmund ab. Gebt dem Bischof Bescheid, dass er noch heute auf freien Fuß gesetzt werden soll.«
    Norfolk drehte sich nach seinem Sohn um, dann schaute er wieder mich an. Sehr leise, so leise, wie er noch nie mit mir gesprochen hatte, sagte er: »Glaubt nicht, dass es damit vorbei ist.«
    Dann ließ er mich stehen und gebot seinem Sohn fingerschnalzend, ihm zu folgen. Surrey ging mit ihm. Ich hatte gewusst, dass er das tun würde.
    Durch die sich lichtende Menge ging ich hinunter zur All-Hallows-Barking-Kirche am Rand des Tower-Hill-Bezirks. Ein Dutzend Bedienstete der Courtenays hatte sich eingefunden. Und drei Männer, die Montague gedient hatten. Keine Verwandten oder Freunde bis auf mich. Hier fanden Verräter von Rang und Namen ihren ersten Ruheplatz: Kardinal Fisher, Sir Thomas Morus. Manchmal erteilte der König, wenn seine rachsüchtige Wut abgekühlt war, den Familien die Erlaubnis, ihre Lieben an einem anderen Ort zu begraben. Manchmal tat er es nicht.
    Ein schwermütiger Priester sprach ein paar Worte an den beiden Gräbern.
    Ich verabschiedete mich von den Trauernden und verließ Tower Hill. An der London Bridge bemerkte mich der Bucklige, der mich für eine Handvoll Münzen verraten hatte, heute nicht. Ich bezahlte für den Übergang und nahm, sorgsam auf Pferde und Fuhrwerke an meiner Seite achtend, meinen Weg über die Brücke. Das starke Rauschen des Wassers tief unter mir klang so fremd wie das Lärmen und Lachen der anderen Passanten. Ich empfand keinen Triumph über meine Befreiung, einzig eine tiefe Traurigkeit darüber, in einer so dunklen und erbarmungslosen Welt leben zu müssen.
    Ich betrat den Winchester-Palast gar nicht. Ich stellte mich draußen vor dem Hof an die Straße, die zum Palast führte. Dem Jungen, der dort postiert war, sagte ich lediglich meinen Namen und nichts weiter.
    Lange Zeit kam niemand. Es regnete wieder, leichter jetzt. Ich stellte mich nicht unter. Die Leute, die in den Winchester-Palast wollten, um dort ihre Geschäfte zu erledigen, mussten alle an meiner beinahe reglos stehenden Gestalt vorbei.
    Endlich kam ein Priester mit steinerner Miene durch den Hof. Auf halbem Weg blieb er stehen. Er musterte mich von Kopf bis Fuß, bevor er umdrehte, um ein Zeichen zu geben.
    Bruder Edmund erschien unter dem steinernen Torbogen mit dem eingemeißelten Buchstaben »W«. Er ging langsam durch den mit Kopfsteinen gepflasterten Hof zur Straße. Der dunkle Schleier, der sich über mich gelegt hatte, hob sich beim Anblick Bruder Edmunds, wenngleich auch Schuldgefühle nagten. Ich bedauerte es, ihn in meine Schwierigkeiten hineingezogen zu haben – und am meisten bedauerte ich, dass ich mich an dem Abend in Blackfriars in eine so beschämende Situation gebracht hatte.
    »Schwester Joanna«, sagte er, als er zu mir trat.
    »Bruder Edmund.«
    Sein Gesicht war bleich, und unter seinen Augen lagen tiefe Schatten, doch er schien wohlbehalten zu sein. Beim Blick auf mein Kleid zuckte er zusammen. »Ist das Blut?«
    Ich schaute an mir hinunter. Es war mir bis jetzt nicht aufgefallen,doch auf der linken Seite meines Umhangs waren dunkelrote Flecken.
    »Sie sind heute Morgen gestorben«, sagte ich.
    Er nickte nur und nahm meinen Arm, um mich wegzuführen.
    »Wie kommt es, dass ich frei bin?«, fragte er.
    »Ich habe dem Herzog von Norfolk gedroht, dass ich etwas, was er unbedingt geheim halten

Weitere Kostenlose Bücher