Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
möchte, publik machen würde, wenn er uns nicht beide unverzüglich freigibt«, antwortete ich.
Bruder Edmund blieb stehen. »Ihr habt ihm gedroht ?«, fragte er verblüfft. »Womit?«
»Das kann ich Euch nicht sagen.«
Er senkte die Stimme. »Es hat nichts mit den Prophezeiungen zu tun?«
»Natürlich nicht. Darüber würde ich nie ein Wort sagen.«
»Ich finde, Ihr solltet mich ins Vertrauen ziehen, damit ich besser vorbereitet bin, Schwester Joanna.«
»Das kann ich nicht«, antwortete ich. »Ich habe vor Gott gelobt, dass ich schweigen werde.«
Bruder Edmund nickte und setzte sich wieder in Bewegung. »Nun gut, dann reden wir nicht mehr davon.«
Als wir in die Straße nach Southwark einbogen, bemerkte ich eine Bande Raufbolde, die einen Bettler drangsalierte.
»Bischof Gardiner selbst hat mich ins Verhör genommen«, sagte Bruder Edmund. »Ich habe ihm nichts gesagt, aber ich fürchte, er hegt den Verdacht, dass uns nicht nur das Bedürfnis nach Stille und Gebet nach Blackfriars geführt hat.«
Mir blieb fast das Herz stehen vor Schreck. Das war etwas, was ich nicht vorausgesehen hatte. So durchtrieben wie Gardiner war und so gut wie er Bruder Edmund und mich kannte, traute ich ihm zu, dass es ihm gelingen könnte, hinter unser Geheimnis zu kommen.
Bruder Edmund stieß einen unterdrückten Schrei aus, doch nicht aus Furcht vor unserem gefährlichen Gegner, dem Bischof. Seine Aufmerksamkeit galt der gewalttätigen Bande, die mir zuvorschon aufgefallen war. Bevor ich etwas sagen konnte, rannte er los.
»Aufhören«, schrie er. »Lasst sofort diesen Mann in Ruhe!«
Ich lief ihm nach, verwirrt, weil ich nicht verstand, dass er sich gerade jetzt in eine Straßenprügelei einmischen musste.
Einer der Männer, ein großer Kerl, hielt den Bettler unter einen Arm geklemmt wie einen Sack Mehl. »Und wer seid Ihr?«, rief er Bruder Edmund an. »Ein Pfaffenfreund?«
Erst da sah ich mir den Bettler genauer an. Der Mann war gar kein Bettler. Er trug den Kapuzenumhang eines Zisterziensermönchs.
Der Raufbold riss seinem Opfer die Kapuze vom Kopf, und ich blickte in das weiße Gesicht Bruder Oswalds. Er schien der Bewusstlosigkeit nahe, Blut sickerte über sein Kinn.
»Kennt Ihr die Missgeburt?«, rief der Raufbold herausfordernd.
»Er ist ein Mönch – ein Gottesmann«, sagte Bruder Edmund. »Ihr müsst ihn auf der Stelle loslassen.«
»Mönche können uns gestohlen bleiben«, höhnte der Raufbold. »Nichts als Heuchler, die den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen.«
Ich hatte solche hässlichen Worte über Mönche schon früher gehört, und jedes Mal trafen sie mich tief.
»Er ist ein elender Papist«, brüllte der Mann, »und wir wissen, was wir mit solchen Leuten machen, stimmt’s?«
Die anderen johlten. Es waren mindestens zehn. Ich hatte mir manchmal einzureden versucht, nur der König und Cromwells Schergen hassten den alten Glauben und die Klöster. Dieser gemeine Überfall zeigte, dass ich mir etwas vorgemacht hatte.
»Er ist wehrlos! Einem Wehrlosen braucht Ihr doch nicht zu beweisen, dass Ihr der Stärkere seid«, rief Bruder Edmund.
Der Mann ließ Bruder Oswald zu Boden fallen, wo er stöhnend liegen blieb. Bruder Edmund wollte zu ihm, doch der andere trat ihm in den Weg. »Soll ich’s lieber Euch beweisen?«, spottete er.
»Nein!«, rief ich. »Hört sofort auf!«
Mit einem anzüglichen Grinsen wandte der Bursche sich jetzt mir zu. »Ah, eine Frau habt Ihr Euch auch gleich mitgebracht?«
Bruder Edmund stellte sich vor mich. »Ihr werdet ihr nichts antun und auch sonst niemandem.« Er hob die geballte Faust. Bruder Edmund wurde nicht leicht zornig, doch wenn er wirklich einmal in Wut geriet, konnten die Folgen äußerst schmerzhaft sein.
Seine Bande hinter sich versammelt, kam der Raufbold Bruder Edmund und mir großspurig entgegen.
Ich hörte Schritte hinter mir. Zwei Dutzend Männer liefen, vom Winchester-Palast kommend, die Straße herauf, einige von ihnen mit langen Stöcken bewaffnet.
»Verschwindet hier – verschwindet!«, rief ein weißhaariger Priester.
Die wüste Horde zog sich augenblicklich zurück. An der Straßenbiegung drehte sich der Anführer noch einmal um und schrie: »Das vergessen wir nicht so schnell, dass Euer Bischof Gardiner zu den Papisten hält.«
»Dieser Mann ist Bruder Oswald, ein ehemaliger Zisterziensermönch«, erklärte ich Gardiners Priester. »Er ist verletzt – wir müssen ihn in den Palast bringen und behandeln.«
»Auf keinen Fall«,
Weitere Kostenlose Bücher