Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
könnten, zumal wenn es von Frauen geschaffen ist, die einmal einem Kloster angehört haben.«
»Es ist doch nur ein Vogel«, protestierte ich. »Die Sage wurde uns von Herodot überliefert, der im fünften Jahrhundert vor der Geburt unseres Herrn Jesus Christus lebte. Sie hat mit dem katholischen Glauben nichts zu tun.«
»Der Phönix lebt tausend Jahre«, sagte Jacquard. »Und die katholischen Klöster bestehen seit tausend Jahren. Könnte diese Geschichte von Tod und Wiedergeburt nicht als Gleichnis verstanden werden? Gleichnisse können große Macht haben.«
Den Trägern voraus ging ich ins Haus, bemüht, meine Bestürzung zu verbergen. War es vielleicht wirklich meine, von mir selbst unverstandene Absicht gewesen, der Welt meine Sehnsucht nach einer Wiederauferstehung unseres Glaubens aus der Asche der Zerstörung mitzuteilen? Aber ich wollte mit meinen Bildwerken keinen Streit heraufbeschwören – das hätte niemandem gedient.
Arthur, der mit Schwester Winifred im Wohnzimmer gespielt hatte, fiel bei der Ankunft des Webstuhls sofort mit aufgeregten Fragen über mich her.
In der Küche servierte Kitty, mein Dienstmädchen, gerade zwei von den Männern, die Bruder Oswald begleiteten, das Essen. Die Männer übernachteten alle im Hospital. Bruder Oswaldhatte ernstliche Verletzungen erlitten und drei der anderen waren ebenfalls zu krank oder zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten. Bruder Edmund kümmerte sich Tag und Nacht um sie. Sobald sie sich hinreichend erholt hatten, wollten sie weiter nach Aylesford, zu einem kürzlich aufgelösten Karmeliterkloster, um dort einen Bruder abzuholen, der sich ihnen anschließen wollte.
Beim Anblick der zerlumpten Ordensbrüder, die über ihrer Fischpastete saßen, wurde mir klar, wie seltsam sie auf Jacquard Rolin wirken mussten. Ihre abgetragenen Gewänder verrieten, dass sie einmal einem Kloster angehört hatten. Ich wollte nicht, dass Timothy Brookes nachmittägliche Bibelstunde zu einer gefährlichen Klatschrunde über die Mönche ausartete, die in Dartford eingezogen waren.
Doch als ich mich von Jacquard verabschieden wollte, sagte er: »Ich werde noch den Aufbau des Webstuhls beaufsichtigen.«
»Das ist wirklich nicht nötig«, entgegnete ich. »Ihr habt schon mehr als genug getan.«
»Ihr solltet Mr Rolins freundliches Angebot annehmen, Schwester«, warf Schwester Winifred ein. »Wir hätten die größte Mühe mit dem Aufbau – würde das nicht Zeit sparen?«
Jacquard sagte sehr ernsthaft: »Ich möchte gern helfen, wo ich kann.«
Also machte sich Jacquard ans Werk, und während er den Aufbau des Webstuhls beaufsichtigte, zauste er Arthur die Haare, unterhielt sich höflich mit Schwester Winifred und mir und rief sogar der errötenden Kitty ein paar neckende Bemerkungen zu. Die zwei schweigsamen Mönche in der Küche schien er überhaupt nicht zu beachten, nicht einmal als sie das Haus verließen, um ins Hospital zurückzukehren. Und sobald der Webstuhl stand, verabschiedete sich Jacquard mit einer letzten galanten Verbeugung.
Schwester Winifred legte den Kopf an meine Schulter. »Wie wunderbar«, sagte sie. »Jetzt können wir dort weitermachen, wo wir im Kloster aufgehört haben, und die schönsten Tapisserien herstellen. Ach, Schwester Joanna, ich werde jeden freien Moment nutzen, um Euch beim Weben zu helfen.«
»Wie schön.« Ich legte den Arm um ihre schmale Taille, dankbar für ihre Freundschaft und froh, dass sie ihre Bedenken hinsichtlich meiner Werkstatt aufgegeben hatte.
Als die Haustür geöffnet wurde, glaubte ich zuerst, Jacquard sei noch einmal zurückgekommen. Doch auf der Schwelle standen Geoffrey Scovill und Schwester Beatrice. Sie traten zusammen ein, ihr Verhalten jedoch hätte nicht unterschiedlicher sein können. Geoffrey bewegte sich steif und unnahbar und brachte nicht mehr hervor als »Guten Tag«. Schwester Beatrice hingegen begann sogleich mit blitzenden grünen Augen auf mich einzureden.
»Ich war außer mir vor Freude, wirklich außer mir, als ich hörte, dass Ihr zurück seid, Schwester Joanna. Die zwei Monate waren lang, und Ihr habt uns allen bitter gefehlt. Geoffrey hat mir gar nicht geglaubt, als ich ihn heute aufgesucht habe, um ihm zu erzählen, dass Ihr wieder da seid. ›Dann sehen wir doch selbst nach‹, habe ich gesagt, und wahrhaftig, da seid Ihr. Mit Eurem Webstuhl – endlich.«
Sie wandte sich Geoffrey zu. »Sieht sie nicht gut aus?«, rief sie mit beinahe peinlichem Überschwang, während sie seinen
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