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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Gesicht bemerkte, fügte hinzu: »Ich bin der Zweitgeborene. Mein Bruder Marcus ist zehn Jahre älter als ich. Mein Vater besaß ein kleines Vermögen. Er wollte es nicht zwischen uns aufteilen. Alles sollte meinem Bruder Marcus zufallen. Keinesfalls sollte davon etwas für mich abgezogen werden. Mein Vater war selbst ein zweitgeborener Sohn. Man sollte meinen, er hätte Verständnis für meine Situation gehabt. Aber genau das Gegenteil war der Fall.«
    So hatte ich mir die Familie von Bruder Edmund nicht vorgestellt. Doch seine Miene blieb völlig neutral, während er seine Geschichte erzählte. Er schien unberührt davon, und tatsächlich war es nichts Besonderes, dass Väter ihre Söhne mit so ungleichem Maß maßen.
    »Wie ist es denn Schwester Winifred ergangen?«, fragte ich.
    »Wir waren fünf Geschwister, drei davon Mädchen. Da musste natürlich einiges für Mitgiften hingelegt werden. Winifred war ein kränkliches Kind – ›Kümmerling‹ hat unser Vater sie manchmal genannt. Er fürchtete, dass er sie ohne gute Mitgift niemals würde verheiraten können. Er hat sich schließlich das Geld geliehen, um ihr die Aussteuer für Dartford zu bezahlen, und damit war die Sache erledigt.«
    Die Falte zwischen seinen Brauen vertiefte sich. Die geringe Liebe des Vaters zu Schwester Winifred bekümmerte ihn mehr als die Behandlung, die ihm selbst zuteilgeworden war.
    »Und wie denkt Euer Vater jetzt, da Ihr beide nicht mehr im Kloster seid?«, fragte ich.
    Bruder Edmund starrte wieder zum Fenster hinaus. »Er ist vor sieben Jahren gestorben.«
    »Und Euer Bruder?«, bohrte ich weiter. »Er wollte das alles vielleicht gar nicht. Er bedauert vielleicht die Haltung Eures Vaters und hätte gern eine engere Verbindung zu Euch.«
    Bruder Edmund wandte den Kopf, um mich anzusehen. »Wie kommt es nur, dass Ihr nach allem, was Ihr durchgemacht, nach all den Verlusten, die Ihr erlitten habt, immer noch das Beste in den Menschen sehen könnt, Schwester Joanna? Es ist wirklich bemerkenswert.«
    Zum ersten Mal seit dem Morgen auf dem Tower Hill fühlte ich in mir wieder Wärme und Selbstgewissheit aufsteigen. Gleichzeitig jedoch haderte ich mit mir selbst. Warum brauchte es nur ein freundliches Wort von Bruder Edmund, um mich so zu verwandeln? Es wurde Zeit, dass ich mich wie eine Erwachsene benahm und nicht wie ein schwaches, abhängiges Kind.
    Bruder Edmund sprang plötzlich auf und zog mich in seinen Arm. Meine freudige Überraschung wich Erschrecken, als ich sein beunruhigtes Gesicht sah. Er wollte mich beschützen. Sein Blick war zur Tür gerichtet.
    Dort stand Jacquard Rolin. Er hatte die Tür geöffnet, ohne dass wir es zunächst bemerkt hatten.
    »Was tut Ihr hier?«, fragte ich ärgerlich.
    »Ich wollte mich nach meinem Freund Gwinn erkundigen«, antwortete Jacquard.
    Bruder Edmund räusperte sich. »Er ist schon vor einiger Zeit gegangen. Das Salbenpflaster, das ich ihm aufgelegt habe, sollte die Heilung beschleunigen.«
    »Das ist gut«, sagte Jacquard, doch er ging nicht.
    »Gibt es noch etwas, Mr. Rolin?«, fragte Bruder Edmund.
    »Ich habe gerade eine höchst interessante Nachricht erhalten«, sagte Jacquard. »Sie könnte die englische Welt verändern.«
    »Worum geht es?«, fragte ich.
    »Papst Paul hat König Heinrich mit dem Kirchenbann belegt. Euer Herrscher ist damit exkommuniziert.«

Kapitel 34
    Nachdem Jacquard gegangen war, löschte Bruder Edmund das Feuer im Hospital, und ich dachte darüber nach, was diese Nachricht zu bedeuten hatte. Der päpstliche Bann war eine seltene und sehr ernste Maßnahme. Der Letzte, der aus der katholischen Kirche ausgestoßen worden war, war 1520 Martin Luther gewesen.
    Ich musste daran denken, was Gertrude auf unserem Ritt nach Londinium gesagt hatte: Dann ist es die Pflicht anderer christlicher Herrscher, ihn zu entthronen. Wir, seine Untertanen, könnten Heinrich nicht verteidigen. Jedenfalls nicht, wenn wir der Kirche und dem Heiligen Vater die Treue halten wollten .
    Während wir uns im Hospital aufgehalten hatten, war es draußen kälter geworden, eine drückende Feuchtigkeit in der Luft kündigte Schnee an. Von den Straßensängern war nichts mehr zu hören, die meisten Leute saßen jetzt, von lodernden Feuern gewärmt, beim Weihnachtsmahl.
    Als wir die High Street erreichten, bemerkte ich am Ende der Straße eine Gruppe, die sich sehr langsam auf die Ortsmitte zubewegte. Zu unserer Bestürzung waren es Bruder Oswald und seine Freunde. Wir hatten nicht mit ihrer

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