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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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»Ich habe es schon vermutet.«
    »Es kommt nicht von Timothy allein«, meinte Gwinn. »Pater Williams Predigten sind auch mit schuld. Jetzt, wo Ihr unter unssitzt, sagt er’s natürlich nicht mehr, aber er hat monatelang behauptet, wenn die Klöster alle geschlossen würden, brauchte König Heinrich das Volk nie wieder mit Steuern zu belegen, weil die Schatzkammer bis zu unserem Lebensende voll sein würde.«
    »Das ist eine Schande«, rief ich. »Wie kann ein Priester seiner Gemeinde so etwas erzählen?«
    Bruder Edmund hob die Hand. »Ihr dürft ihn nicht allein verantwortlich machen, Schwester Joanna. Vor zwei Jahren hat Erzbischof Cranmer den Priestern im ganzen Königreich Anweisung gegeben, eben das von ihren Kanzeln zu predigen.«
    Mit unglücklicher Miene sagte Gwinn: »Es ist unrecht, und es tut mir wirklich leid.«
    Nachdem der Witwer gegangen war, reinigte Bruder Edmund die Holzschale und den Stößel, während ich am Tisch saß, den Kopf in die Hände gestützt. Tränen liefen mir über die Wangen, die graue Aussichtslosigkeit unserer Lage war kaum noch zu ertragen. Würde ich denn den Rest meines Lebens in Hoffnungslosigkeit zubringen müssen?
    »Wenn ich wüsste, wer der dritte Seher ist, würde ich auf der Stelle zu ihm gehen«, rief ich. »Ich muss etwas unternehmen und mein Leben endlich selbst in die Hand nehmen.«
    Bruder Edmund antwortete nicht gleich. Ich konnte nicht erkennen, was in ihm vorging. Dann sagte er leise: » Wenn der Rabe das Seil erklimmt, muss der Hund sich in die Lüfte erheben wie der Falke .«
    Die Prophezeiung hatte ihn all die Wochen nicht losgelassen. Wie verzweifelt er doch die Klöster erneuert sehen wollte.
    »Vielleicht könnten wir selbst den Sinn dieser Prophezeiung herausfinden«, sagte ich. »In Blackfriars haben wir ja schon einen Anfang gemacht.«
    »Ja, vielleicht.« Er nickte. »Aber der Weihnachtstag ist nicht der günstigste Tag dafür. Wir müssen uns beruhigen, bevor wir uns den anderen anschließen.«
    Ich wischte mir die Tränen ab. Ich wollte Schwester Winifred nicht damit erschrecken, dass ich verweint zu ihrem Weihnachtsmahlerschien. Ich musste mich zusammennehmen und zusehen, dass wenigstens Arthur einen schönen Tag erlebte.
    Bruder Edmund tätschelte mir die Hand, allerdings etwas zaghaft. Ich erinnerte mich seiner tröstlichen Umarmung in Howard House und des wunderbaren Gefühls, als ich ihn später in Blackfriars in die Arme genommen hatte, und kämpfte meine Sehnsucht nieder.
    Von draußen hörten wir die Stimmen der Leute, die singend durch die Straßen zogen.
    Bruder Edmund zog seine Hand weg.
    »Ich wurde für das Kloster bestimmt, als ich acht Jahre alt war«, sagte er, den Blick zum Fenster hinaus gerichtet. »Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je glaubte, ich könnte etwas anderes werden als ein Mann der Kirche. Ich habe es einfach akzeptiert, dass ich niemals Ehemann oder Vater werden würde. Solche Dinge bedeuten einem Kind ja noch nichts.«
    Ich wartete gebannt. Nie hatte er mir etwas so Persönliches anvertraut. Versuchte er, mir zu erklären, warum er mich in Blackfriars abgewiesen hatte?
    Draußen entfernte sich allmählich der Gesang.
    Noch immer schwiegen wir beide. Die Spannung zwischen uns war fast unerträglich. Ich fragte mich, ob er darauf wartete, dass ich die unausgesprochene Frage stellte.
    »Bruder Edmund«, fragte ich leise, »habt Ihr je am Zölibat gezweifelt?«
    Den Blick auf den Tisch zwischen uns gerichtet, antwortete er: »Der heilige Dominikus hat gesagt: Ein Mensch, der seine Leidenschaften beherrscht, ist Herr über sein Leben. Wir müssen ihnen befehlen, oder wir werden von ihnen geknechtet.«
    Der Stich der Enttäuschung, den ich verspürte, war lächerlich. Ich kannte Bruder Edmunds Einstellung, wie hatte ich da etwas anderes erwarten können? Wenigstens schien er mir nicht böse zu sein. Um das Gespräch in sichere Bahnen zu lenken, sagte ich: »Aber Ihr habt die vita activa gewählt und nicht die völlige Abkehr von der Welt, wie die vita contemplativa sie verlangt.«
    Bruder Edmund sagte: »Meinem Vater war nur wichtig, dass ich in ein Kloster gehe, ob als Mönch, der sich allein der Einkehr und dem Gebet widmet, oder als Ordensbruder, der sich der tätigen Nächstenliebe verpflichtet, war ihm gleichgültig. Als ich darum bat, Dominikaner werden zu dürfen, war er einverstanden. Es hat ihn nicht weiter gekümmert.«
    Mich berührte diese Geschichte sehr merkwürdig. Bruder Edmund, der die Frage in meinem

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