Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
dort erwarten, wobei allerdings nicht ausgeschlossen war, dass jemand fehlen würde. Ich wusste, dass Schwester Rachel Mühe hatte, diese Heirat zu akzeptieren.
Schwester Agatha hatte keine lebenden männlichen Verwandten, doch der Brautführer durfte nicht fehlen. Es fand sich eine überraschende Lösung. Ein Mann namens Ellis Hancock, ein wohlhabender Schiffsbauer, der sich erst vor kurzem in Dartford niedergelassen und mit Oliver Gwinn angefreundet hatte, erbot sich, die Rolle des Brautführers zu übernehmen, und hatte die Hochzeitsgäste zur nachfolgenden Feier in sein Haus eingeladen.
Schwester Winifred und ich schmückten Schwester Agatha mit dem Brautkranz. Wir hatten ihn aus Maßliebchen, Narzissen und Schlüsselblumen geflochten, die wir am frühen Morgen taufrisch auf den Wiesen im Süden des Orts gepflückt hatten. Sie hatte ihr bestes Kleid angelegt; blauer Brokat mit Goldverzierung.
»Ihr seht wunderschön aus«, flüsterte ich.
Es schlug elf, als ich die Haustür öffnete. Mr Hancock wartete schon, und hinter ihm eine Menschenmenge im Festtagsstaat. Viele gute Wünsche begleiteten uns auf dem kurzen Weg zur Dreifaltigkeitskirche. Die Haltung der Leute im Ort uns gegenüber war deutlich freundlicher geworden. Das hätte mich freuen müssen, aber aus irgendeinem Grund machte es mich traurig.
Ich bemerkte die Familie Brooke – der schlaksige Junge mit den Pickeln am Kinn und der finsteren Miene konnte nur Timothy sein – und, neben Gregory, Jacquard Rolin. Er lächelte und klatschte mit den anderen Schaulustigen. Näher bei der Kirche warteten Arm in Arm Geoffrey Scovill und Schwester Beatrice. Geoffrey und ich vermieden es, einander anzusehen, wie es uns mittlerweile zur Gewohnheit geworden war. An diesem Morgen sah ich alle, die ich in Dartford kannte. Nur den Mann, den ich liebte und dem ich mehr als jedem anderen vertraute, sah ich nicht. Edmund hatte es nicht geschafft, rechtzeitig zur Hochzeit zurück zu sein.
Oliver Gwinn stand strahlend und stolz vor dem geöffneten Kirchenportal und nahm Schwester Agatha in Empfang. Als das Paar vor Pater William Mote Aufstellung genommen hatte, verlas der Geistliche, vor dem Portal stehend, mit schallender Stimme, sodass alle auf der Straße es hören konnten, das Aufgebot. Auf die Frage, ob jemand gegen die Eheschließung Einspruch erheben wolle, meldete sich niemand.
Nachdem das Paar die Ringe getauscht hatte, begaben wir uns alle zur Hochzeitsmesse und zum Segen in die Kirche. Oliver und Agatha knieten vor dem Altar nieder, über ihren Köpfen ausgebreitet das Hochzeitstuch aus feinem Leinen. Ich saß mit Arthur, der sich schon am Morgen nicht wohlgefühlt hatte und jetzt immer wieder in sein Taschentuch schniefte, ziemlich weit hinten neben meiner engsten Freundin Schwester Winifred, Schwester Eleanor, Schwester Rachel und den drei anderen. Sie hatten sich entschlossen, doch zu der Hochzeit zu kommen. Wir sprachen nichts, tauschten nicht einmal Blicke, doch wir fühlten das Gleiche. Es war nicht Freude. Wir trauerten um das Leben, das uns genommen worden war, eine Berufung wie keine andere, von Opfer und tiefer Erfüllung bestimmt. Wir waren nicht Eigentum der Menschen, wir waren einzig Bräute Christi gewesen. In einem Monat würde ich neben Edmund dort vor dem Altar knien. Unsere Zahl würde wiederum schrumpfen. Edmund war der Mann, den ich liebte, gewiss, dennoch teilte ich diese Trauerum ein Leben, das für immer verloren war. Sollte ich mich nicht wie Agatha auf die neue Verbindung freuen, die auf mich wartete? Ich lauschte Pater Williams Segnungen und kämpfte gegen meine Melancholie.
Strahlende Sonne empfing die Hochzeitsgäste, als wir aus der Kirche traten. Schwester Eleanor und die anderen Schwestern aus Holcroft House gingen still nach Hause; ich konnte es ihnen nicht verübeln. Niemand konnte verlangen, dass sie die Hochzeit einer ihrer ehemaligen Mitschwestern auch noch bei Musik und Tanz feierten. Doch ich bemerkte, dass auch Schwester Winifred sich aus dem Kreis der Gäste entfernte.
»Kommt Ihr denn nicht mit zur Feier?«, fragte ich.
Sie legte Arthur die Hände auf die Schultern. »Dem Jungen geht es nicht gut. Er gehört ins Bett.« Arthur erhob quengelnd Protest, doch sie hatte recht: Seine Augen sahen fiebrig aus und seine Wangen stark erhitzt. Ich versprach, ihm etwas von den Leckereien des Hochzeitsmahls mitzubringen.
Ich ging allein zum Haus der Hancocks, freundlich gegrüßt von den Leuten rundherum. Jetzt, da ich wie
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