Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Sorgen.
Bis zu dem Moment, als Geoffrey sich vor mir verneigte.
»Wo ist Schwester Beatrice?«, fragte ich.
»Sie hat sich nicht wohlgefühlt.«
»Das tut mir leid.«
Rund um uns herum begannen die Leute zu tanzen. Wir mussten uns ihnen entweder anschließen oder Platz machen.
Geoffrey bot mir lächelnd die Hand. Doch in seinen Augen konnte ich Traurigkeit erkennen.
Ich ergriff die dargebotene Hand nicht. »Ich weiß nicht, ob es sich ziemt, dass wir miteinander tanzen.«
Er wurde nicht ärgerlich, sondern sagte ruhig: »Joanna, wir werden bald mit anderen verheiratet sein. Können wir nicht heute wenigstens Freunde sein? Ihr habt mit jedem achtbaren Mann aus Dartford getanzt. Wollt Ihr nicht auch dem Constable das Vergnügen gönnen?«
Ich knickste und ergriff seine Hand. Er schob seine Finger zwischen die meinen. Ein leichter Schauder überlief meinen Arm, und ich sah weg. Geoffrey sollte nicht merken, welche Wirkung seine Berührung auf mich hatte.
Zum ersten Mal in unserem Leben tanzten wir miteinander. Nach jeder Drehung, die ich vollendete, wartete er genau an der richtigen Stelle. Nie hielt er meine Hand zu lang, nie ließ er sie zu früh los. Wir waren in vollkommenem Einklang. Ich hoffte, er würde nicht weiter mit mir sprechen. Doch natürlich tat er es.
»Wie oft habe ich mir gewünscht, Euch so zu sehen«, sagte er. »Hier lächelt Ihr. Ja, Ihr könnt sogar lachen.«
»Es ist eine Hochzeit«, entgegnete ich abwehrend. Wir mussten uns trennen, um die Partner zu tauschen. Als wir wieder zueinander kamen, sagte ich: »Ihr findet mich also freudlos?«
»Nein, nein«, widersprach er. »Ihr versteht mich falsch, Joanna. Ich möchte nicht kritisieren. Ich möchte Euch glücklich sehen. Das war immer mein Wunsch.«
»Ich weiß nicht, ob es mir bestimmt ist, glücklich zu sein«, entfuhr es mir ungewollt.
Er sah mich erstaunt an. Die nächste Tanzfigur trennte uns wieder. Einen Augenblick später sagte er angespannt: »Das ist eine seltsame Bemerkung von einer Frau, die im nächsten Monat heiratet.«
Ich sagte nichts, betete nur, dass der Tanz bald vorüber sein würde.
»Ich habe Euch nie für freudlos gehalten, Joanna«, sagte er. »Ihr seid – Ihr seid – «
Das Lied endete. Er hätte sich verbeugen und gehen müssen. Stattdessen trat er einen Schritt näher zu mir und zog dabei einen Gegenstand aus der Tasche seines Wamses, einen kleinen Stoffbeutel. Langsam zog er die Schnur auf und ließ den Inhalt vorsichtig in seine geöffnete Hand fallen.
Es war ein glänzender dunkler Stein von nicht mehr als einem Zoll Durchmesser.
»Wisst Ihr, was das ist?«, fragte er.
»Nein.«
Der nächste Tanz begann. Wieder würden wir allen im Weg stehen.
»Es ist ein schwarzer Opal«, sagte Geoffrey. »Manche nennen ihn Schwarzes Feuer. Ich habe ihn einen Monat nach unserer ersten Begegnung in Smithfield, nach unserer Fahrt in den Tower, bei einem Händler gekauft. Als ich glaubte, ich würde Euch nie wiedersehen. Ich wollte ein Andenken an Euch haben.«
Ich trat erschrocken einen Schritt zurück. »Oh, Geoffrey, zeigt mir das nicht. Nicht hier – und auch nicht anderswo. Es ziemt sich nicht.«
Geoffrey schob den Opal wieder in den Beutel und steckte ihn ein. »Das weiß ich.«
Ich entfernte mich von ihm. Ich würde zwischen den Tänzern hindurchschlüpfen und in ein anderes Zimmer flüchten. Doch er holte mich ein, fasste meine Hand und zog mich zu sich. Es war, als wären wir wieder in Smithfield, an jenem ersten Tag. Immer versuchte ich, Geoffrey Scovill zu entkommen. Und immer folgte er mir. Und, mochte Gott mir verzeihen, immer war ich auch froh darüber.
»Wisst Ihr noch, als wir in dem Boot die Themse hinauf zum Tower gefahren sind? Als ich aufwachte, lag mein Kopf in Eurem Schoß. Ihr habt Euch um mich gesorgt. Und obwohl ich Schmerzen hatte – obwohl man mich gefangen genommen hatte –, war es wunderbar, Joanna. Unglaublich.«
Mir traten die Tränen in die Augen. »Nicht, Geoffrey, nein. Es tut mir leid. Es tut mir so leid.«
»Eins muss ich Euch noch sagen, Joanna.« Er zog mich noch näher an sich. »An dem Tag, an dem Ihr nach Canterbury gereist seid, wusste ich, dass Ihr mir niemals verzeihen würdet, wenn ich Euch verriete. Aber ich wusste auch, dass Ihr in Canterbury vielleicht getötet werden würdet, und diesen Gedanken konnte ich nicht ertragen. Ich musste es tun, auch wenn es bedeutete, dass Ihr mich auf ewig hassen würdet, dass es Euch Sommerville nur noch näher bringen
Weitere Kostenlose Bücher