Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
würde und ich nichts mehr zu hoffen hätte.« Tränen glänzten in seinen blauen Augen. »Ich könnte nicht weiterleben, wenn Ihr tot wärt. Das ist die Wahrheit.«
Sein Blick flog plötzlich über meine Schulter, und er ließ meinen Arm los.
Ich drehte mich um.
Nur wenige Fuß entfernt stand Edmund mit fassungslosem Blick und bleichem Gesicht. Brüsk drehte er sich um und ging, ohne Rücksicht auf die Leute, die ihm im Weg standen.
»Edmund!«, rief ich. »Wartet.«
Ich lief ihm nach, zwischen den Tänzern hindurch, die sich rundherum drehten, doch ich konnte ihn nirgends entdecken. Er war verschwunden.
Ich rannte aus dem Saal, ich musste ihn finden. Der Letzte, den ich sah, war Jacquard Rolin, der mit verschränkten Armen an der Tür stand. Er hatte eine Frau bei sich, die eine blassgrüne Kapuze trug. Er sprach mit ihr und nickte, doch sein Blick ruhte auf mir.
Kapitel 38
Ich suchte ihn überall im Gedränge, doch ich fand Edmund nirgends. Als ich sicher war, dass er sich nicht mehr im Haus aufhielt, stürzte ich ins Freie hinaus. Doch auch dort fand ich ihn nicht. Ich lief den Fahrweg zur Straße hinaus und rannte den ganzen Weg bis nach Hause, unablässig nach Edmund Ausschau haltend. Nichts.
Zu Hause saß Schwester Winifred bei Arthur und hatte keine Ahnung, dass ihr Bruder zurück war. Ich beschloss, ihr nichts von dem bestürzenden Zusammentreffen zu sagen – wie hätte ich es ihr auch erklären sollen? Doch ich war sicher, dass er hierherkommen würde, wenn nur, um seine Schwester abzuholen. Ich würde mit ihr hier warten. Edmund kannte die stürmische Geschichte, die Geoffrey und mich verband, auch wenn über dieses Thema nie gesprochen wurde. Doch auf Geoffrey wartete eine Zukunft an der Seite von Schwester Beatrice – und ich gehörte zu Edmund.
Nach dem Abendessen brachte Edmunds Gehilfe Humphrey einen Brief. John war gefunden und nach Dartford zurückgebracht worden; die Mission war erfolgreich gewesen. Doch Edmund habe gleich nach seiner Rückkehr der Hilferuf eines alten Freundes erreicht, er werde also noch einige Tage fernbleiben.
Ich weinte, als ich dieses kühle Schreiben las.
»Schwester Joanna«, sagte Schwester Winifred tief besorgt, »bitte seid nicht so traurig – es besteht doch gar kein Anlass dazu. Warum sollte er nicht jetzt einen alten Freund aufsuchen? Ihr werdet schließlich den Rest Eures Lebens zusammen sein.«
Die folgenden Tage waren eine Qual. Ich rechnete damit, dass Edmund bei unserem nächsten Zusammentreffen die Verlobung lösen würde. Vielleicht verdiente ich nicht, seine Frau zu werden. Doch ich wollte wenigstens eine Klärung.
Am Freitagnachmittag ging ich von Rastlosigkeit getrieben zum Hospital. In der Rezeptur stand Edmund über seinen Apothekertisch gebeugt und arbeitete, als wäre alles wie immer. Er warmit der Zubereitung von Pillen beschäftigt – neben einer Schale mit gestampften Kräutern stand eine kleinere mit Honig zum Mischen –, und er rollte die Pillen auf einem glatten Holzbrett.
Obwohl er meine Schritte gehört haben musste, blickte er nicht von seiner Arbeit auf. Langsam ging ich zu ihm und blieb neben ihm stehen. Eine der Schalen war, wie ich bemerkte, fast leer.
»Soll ich den Honig auffüllen, Edmund?« Meine Stimme klang erstaunlich ruhig.
»Ja, das wäre eine Hilfe«, antwortete er leise.
Ich ging mit der Schale zum Schrank und gab Honig hinein. Meine Finger zitterten vor Nervosität, und der Honig klebte am Löffel, sodass ich übermäßig lang brauchte, um die Schale zu füllen.
Als ich zu ihm zurückging, konnte ich es plötzlich nicht mehr aushalten. »Wollt Ihr mich immer noch heiraten?«, fragte ich.
Edmund kniff eine Pille ab, die er gerade fertiggestellt hatte. Ich sah ihm an, wie müde er war, sah die tiefen Linien auf der Stirn und um den Mund.
»Mehr als alles auf der Welt«, sagte er.
Dann lagen wir einander in den Armen. Er küsste meine Wangen und meine Stirn, während ich ihn umfangen hielt. Er küsste meine Lippen mit einer Leidenschaft wie nie zuvor. Bisher hatte er sich bei unseren Umarmungen immer gezügelt. Ich hatte es an der Spannung in seinen Armen, der kühlen Berührung seiner Lippen gespürt. Jetzt aber spürte ich etwas Neues – etwas Wildes und Zorniges – in seinen Küssen, und mir verschlug es den Atem. Ich glaubte, ich würde die Besinnung verlieren unter so viel Leidenschaft.
Ein diskretes Hüsteln riss uns auseinander. Humphrey stand an der Tür und lächelte hinter vorgehaltener Hand.
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