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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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einmal golden auf, ehe die Stadt im Grau des Abends versank. Während wir auf die Ruderboote warteten, die uns an Land bringen sollten, erzählte mir Adams von der Bedeutung des Wortes Antwerpen .
    »Einer Legende zufolge soll ein Riese den Fluss bewacht haben«, berichtete er. »Jeder, der übersetzen wollte, musste ihm Zoll bezahlen. Wenn sich jemand weigerte, hackte der Riese ihm die Hand ab und warf sie in den Fluss. Aus dem niederländischen hand werpen , also Hand werfen, soll der Name Antwerpen entstanden sein.«
    »Oh«, sagte ich
    Selbst im grauen Zwielicht konnte ich erkennen, dass er errötete. »Die Geschichte ist vielleicht zu grausam für eine junge Ehefrau – ich hoffe, Ihr seid nicht ärgerlich.«
    »Meine Frau mag grausame Geschichten«, bemerkte Jacquard mit einem seltsamen Unterton.
    Dann trafen die Ruderboote ein und brachten uns an Land. Zu meiner Überraschung bestand Jacquard darauf, dass Charles Adams uns in einen Gasthof zum Essen begleitete. Adams wollte ablehnen, er sei müde, erklärte er, doch Jacquard ließ nicht locker.
    »Kommt, kommt – Ihr seid fünf Jahre jünger als ich, und ich bin nicht müde«, neckte er. »Nur auf einen Becher Wein.«
    Geschmeichelt gab Adams nach. Ich war froh; dann würde sich Jacquard mit seinem neuen Freund unterhalten anstatt mir Vorhaltungen zu machen.
    In Antwerpen schien es, anders als in London, keine amtlich verordnete Nachtruhe zu geben. Obwohl es dunkel geworden war, wimmelte es auf den brettebenen geraden Straßen von Menschen. Ich hörte hier und dort etwas Französisch und Spanisch, hauptsächlich jedoch eine mir völlig fremde Sprache, Flämisch, wie mir Jacquard erklärte. Musik strömte aus Fenstern und Türen, die in der milden Nacht geöffnet waren.
    Noch etwas unterschied Antwerpen von London: der Geruch. Ich hatte angenommen, allen großen Städten wäre der gleiche Geruch eigen. Doch abgesehen von dem unvermeidlichen Gestank der Metropole hingen über Antwerpen der beißende Geruch nach Druckerschwärze und das scharfe Aroma vielfältiger Gewürze wie Nelke, Ingwer, Pfeffer und anderer exotischer Gewächse, von denen ich nie gehört hatte.
    Wäre ich aus einem anderen Grund in die Niederlande gekommen, so wäre ich wahrscheinlich begeistert gewesen, eine Stadt wie Antwerpen kennenzulernen. Doch wir waren in einer Mission hier, die von Gefahr und Bedrohung überschattet war.
    Jacquard führte uns durch eine stille Straße zu einem Gasthof, der nicht so freundlich gelegen war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Doch er war dort bekannt; er begrüßte einen Mann mit Zuruf, einen anderen mit einem Nicken, und sie sprachen kurz darüber, wie lange sie Jacquard nicht mehr gesehen hatten. Dann verließen sie beide den Speiseraum.
    Wir setzten uns an einen Tisch. Jacquard prahlte, dass die Weine in Antwerpen die besten der Welt seien. »Antwerpen ist dank dem Silber und den Gewürzen, die vom amerikanischen Kontinent importiert werden, eine reiche Stadt, da haben selbst die bescheidensten Gasthäuser bessere französische Weine zu bieten als Paris.«
    Adams kostete einen Schluck von dem Wein, den Jacquard bestellt hatte.
    »Schmeckt er nicht hervorragend?«, fragte Jacquard.
    Adams zögerte, dann sagte er: »Nehmt es mir nicht übel, Mr Rolin, aber er scheint mir etwas sauer.«
    »Was?«
    Jacquard sprang auf und lief zu einer Tür hinaus in den hinteren Teil des Gasthauses. Im Nu war er wieder zurück und winkte Adams. »Der Wirt möchte sich entschuldigen und uns in seinen Privaträumen einen Becher von seinem Besten anbieten. Einem Madeirawein. Kommt.«
    »Und Eure Gemahlin?«, fragte Adams mit einem Blick zu mir.
    »Keine Sorge. Wir trinken drüben einen Schluck und kommen dann hierher zurück. Es ist Wein vom Fass – er muss hinten gezapft und sofort probiert werden.«
    Sobald Adams mit ihm gegangen war, um den Wein zu probieren, fiel mir auf, wie still es in dem Gasthaus war. Die Tische waren alle leer, nur in einer Ecke stand eine Frau mit traurigem Blick und polierte Becher. Aus einem anderen Haus, weiter die Straße hinauf, konnte ich gedämpfte Musik hören.
    Ich weiß nicht, woher ich es plötzlich wusste. Kein Geräusch, kein ungewöhnliches Geschehnis verriet es mir. Doch ich wusste es.
    Ich rannte zu der Tür, hinter der die Männer verschwunden waren. Die Frau, die die Becher polierte, blickte kurz auf.
    Die Tür führte nicht in die Privaträume des Wirts. Sie führte in einen schmalen steinernen Durchgang. An seinem hinteren

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