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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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denken, ihn nach England zu holen. Er ist in den Niederlanden in Gewahrsam.«
    »Heißt das, ich werde die Prophezeiung von einem Verbrecher empfangen?«, fragte ich ungläubig.
    »Er ist kein gefährlicher Mensch«, sagte Chapuys. »Er wurde im Zusammenhang mit einem Ketzerprozess befragt, und dabei wurde seine Sehergabe offenbar. Nach wiederholter Vernehmung enthüllte er die Prophezeiung über Euch. Er ist fraglos der begnadetste Seher unserer Zeit, Juana. Er verwies auf eine englische Dominikanernovizin spanischer Abstammung, die England vom Bösen befreien und das Gleichgewicht der Macht in der Christenwelt verändern würde. Er enthüllte uns eine Reihe von Visionen über Euch, auf die hin wir zu handeln versuchten, zunächst über Gertrude Courtenay, dann nur noch über Jacquard und mich. Der dritte Teil der Prophezeiung darf nur in Gent ausgesprochen werden, der Stadt, in der vor neununddreißig Jahren Kaiser Karl geboren wurde. Ich wollte, es wäre anders. Ich bedauere aufrichtig, was Ihr bisher erleiden musstet, Juana. Der Dominikanerbruder, der den Mann von Anfang an befragt und dabei von Eurer Bestimmung erfahren hat, bewacht ihn auch heute noch in dem Gefängnis, in dem er sich in Gewahrsam befindet.«
    Ich schwieg lange. Ich brauchte Zeit, um mich mit dem Gehörten auseinanderzusetzen.
    »Ist der Mann ein Protestant?«, fragte ich schließlich. »Ihr habt gesagt, er hätte Verbrechen gegen den Glauben begangen.«
    »Nein«, antwortete Chapuys. »Der dritte Seher wurde von der Inquisition befragt, weil er verdächtigt wurde, zu den conversos , also den konvertierten Juden, zu gehören, die sich nur vorgeblich zum katholischen Glauben bekannten. Im Lauf der Befragung offenbarten sich, wie schon gesagt, die Prophezeiungendes Mannes von dem Hund, der sich in die Lüfte erheben wird wie der Falke und den englischen Stier für immer schwächen wird.«
    Die Inquisition . Ich wusste natürlich von ihr. Der Orden der Dominikaner war eng verbunden mit dem Heiligen Amt der Inquisition, das geschaffen worden war, um in Spanien die Ketzerei zu bekämpfen. Zu seinen Hauptaufgaben gehörte es, gegen Juden und Muslime vorzugehen, die behaupteten, zum christlichen Glauben übergetreten zu sein, tatsächlich jedoch weiterhin nach ihrem eigenen Glauben lebten.
    Endlich wusste ich die Wahrheit über den dritten Seher.
    Der Botschafter sagte: »Gent ist einen Dreitagesritt von hier entfernt. Wir müssen uns beeilen. Ihr müsst die Prophezeiung am 14.  August vor Mitternacht empfangen, das ist die letzte Nachricht, die ich von dem Dominikaner erhalten habe, der unseren Mann bewacht. Bis dahin sind es nur noch vier Tage. Doch Jacquard kennt das Land – er wird uns rechtzeitig hinbringen.«
    »Muss Jacquard uns unbedingt begleiten?«, fragte ich.
    Der Botschafter beugte sich vor. »Ich weiß, dass Ihr nicht gut miteinander zurechtkommt. Doch hat er Euch je etwas angetan?«
    »Nein«, bekannte ich.
    »Und dabei wird es bleiben. Ohnehin werde jetzt ich bei Euch sein, Juana. Und in Gent steht Ihr unter dem Schutz eines Dominikanerbruders.«
    Ich überlegte einen Augenblick. »Also gut, ich reite mit Euch nach Gent. Ich kann jetzt nicht mehr umkehren. Doch ganz gleich, was geschieht, ich werde Jacquard niemals verzeihen, dass er Charles Adams getötet hat.« Ich senkte den Kopf. »Und auch mir selbst nicht.«

Kapitel 44
    Auf diesem letzten Stück Wegs legte ich die Maske der Catherine Rolin ab. Jacquard bestand darauf, dass ich mich als junger Mann verkleidete – auf dem Ritt nach Gent würde keine Frau dabei sein. Obwohl mir seine fortgesetzte Sorge nach der Ermordung von Charles Adams übertrieben schien, steckte ich also meine Haare unter einem Hut hoch und band meine Brüste unter einem Männerwams, im Grunde genommen froh, nicht mehr Jacquards Ehefrau spielen zu müssen.
    Die Straßen hier waren breiter als die meisten, die sich in meiner Heimat über Land zogen, und führten uns durch Dörfer und an vielen stattlichen Bauernhöfen vorbei. Ich vermisste die ungezähmte Schönheit der englischen Landschaft, die undurchdringlichen grünen Wälder und die felsigen Hügel.
    Oft dachte ich an Arthur. War er glücklich auf Stafford Castle? Hatte ich das Richtige getan? Nach Edmund sehnte ich mich mehr denn je. Mir fehlten nicht nur seine Feinfühligkeit und seine Güte, sondern auch sein Urteil. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was er von meiner Entscheidung gehalten hätte, trotz allem meiner Bestimmung zu folgen.

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