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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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um in England den katholischen Glauben wiederherzustellen. Doch warum müssendiese Morde geschehen? Erst der Mann, der in Hertfordshire für Gardiner spionierte, und nun der junge Charles Adams? Das würde Gott nicht wollen. Mein Herz sagt mir, dass es nicht recht ist.«
    Chapuys nickte. Dann wies er auf die Schränke voll wertvoller, in Leder gebundener Bücher. »Wollt Ihr wissen, warum ich mir gerade in Antwerpen ein Haus gekauft habe? Weil Bücher meine Leidenschaft sind. Erasmus war mein Freund, ein vertrauter Freund. Ich habe viele Abende lang mit ihm und anderen über die Grundsätze des Humanismus debattiert. Antwerpen ist das Zentrum des niederländischen Buchdrucks. Auf dem Weg hierher konntet Ihr wahrscheinlich die Druckerschwärze riechen.«
    Ich nickte.
    »Auch Ihr liebt Bücher, das weiß ich von Euch, Juana. Theoretisch sind wir uns also einig, dass die Buchdruckerkunst etwas Gutes ist. Kommt bitte mit mir zum Fenster.«
    Mit Chapuys trat ich an das hohe Bogenfenster, das geöffnet war, um die laue Sommerluft hereinzulassen. Sein Haus stand auf einem Hügel und überblickte die ganze Stadt und das glänzende breite Band der Schelde.
    »Doch dort unten stellen jetzt, in diesem Moment, mehr als fünfzig Druckereien Bücher her, die die protestantische Bewegung unterstützen. Seht Ihr nun, wie das Gute sich zum Bösen wenden kann? Die Niederlande, die skandinavischen Länder, die Schweizer Eidgenossenschaft – sie alle sind fürs Erste verloren. Und in den deutschen Gebieten treibt die Ketzerei Blüten. Die Infektion breitet sich auch in Frankreich und Schottland aus. England ist ihr, wie wir wissen, schon zum Opfer gefallen. Unser Glaube darf nicht sterben, Juana. Tausend Jahre Weisheit und Frömmigkeit dürfen nicht einfach ausgelöscht werden. Ein Mann – nur einer – steht zwischen der zivilisierten Welt und der Anarchie. Ihr wisst, wer es ist. Der Kaiser, Karl V.«
    Er war sehr beredt. Doch ich hatte eine Frage, dieselbe, die mich seit Canterbury plagte. »Wenn der Kaiser so mächtig ist, warum braucht er dann mich?«
    »Weil das Bündnis mit Frankreich auf sehr wackligen Füßen steht«, antwortete Chapuys in leicht wegwerfendem Ton. »König Franz ist ein Lügner, der keinen Funken Ehre im Leib hat. Wir wissen, dass er heimlich mit den Türken verhandelt. Sie sind für das Heilige Römische Reich ein ebenso gefährlicher Feind wie die Protestanten. Karl V. muss also nach zwei Seiten Krieg führen, auf der einen gegen die Anhänger Luthers und auf der anderen gegen die Mohammeds. Doch ganz gleich, ob das Bündnis mit Frankreich hält, der Kaiser wird nicht nachgeben. Könnt Ihr es nicht über Euch bringen, unserer heiligen Sache zu helfen, Juana, und die Prophezeiung zu hören, die Euch gilt?«
    Ich spürte, wie ich schwankend wurde in meinem eben noch so festen Entschluss, mich aus diesem ganzen Unternehmen zurückzuziehen.
    »Wenn ich nach Gent weiterreise«, sagte ich, »dann nur unter der Bedingung, dass Ihr mir etwas über den dritten Seher sagt. Gertrude Courtenay, die in Euren Diensten stand, hat mir so gut wie keine Aufklärung über den zweiten Seher gegeben, und ich war deshalb schlecht vorbereitet. Es dient niemandem, mich in völliger Unwissenheit zu lassen. Ich habe Euch viele Male um Auskunft gebeten – Eure Weigerung beleidigt mich.«
    Chapuys betrachtete mich nachdenklich. »Wenn Ihr jetzt etwas esst, werde ich Euch nachher alles über den Mann sagen, was ich sagen darf«, versprach er mit einem gutmütigen Lächeln.
    Während ich aß, ein Gericht, das Chapuys Vlaamse stoofkarbonaden nannte, zartes, in Bier geschmortes Rindfleisch mit Karotten und Gewürzen, sprach Chapuys von Lady Maria und seiner Sorge um ihre Sicherheit, jetzt, da er abberufen worden war. »Nach der Entfernung der Mätresse ist Maria nicht, wie wir gehofft hatten, wieder in eine bedeutende Position gelangt. Der König traut ihr nicht. Nur aus diesem Grund hat er die Adligen, die ihr Freundschaft entgegengebracht haben, samt und sonders verhaften und hinrichten lassen. Ich fürchte, diese neue protestantische Königin aus Kleve wird sie sehr schlecht behandeln.«
    Ich teilte die Befürchtungen des Botschafters hinsichtlich LadyMarias Situation. In dieser Beziehung waren wir uns immerhin einig. Doch nun erinnerte ich ihn an sein Versprechen, mir etwas über den dritten Seher zu sagen.
    »Der Mann, der nach Gent gebracht wird«, erklärte Chapuys, »ist ein Gefangener des Kaisers. Deshalb konnten wir nicht daran

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