Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
meine Hand so fest, dass es wehtat.
Ich merkte bald, dass es nicht nötig war, mich vor Mr Adams meiner Worte zu hüten. Ja, ich brauchte eigentlich überhaupt nichts zu sagen. Er war ein äußerst gesprächiger junger Mann, der sich in beinahe unablässigem Redefluss über Galeonen, den Tuchhandel und seine alte Mutter ausließ. Von seinen lebhaften Ausführungen angeregt, beteiligten sich bald andere Passagiere am Gespräch, und ich konnte mich damit begnügen zu nicken und freundlich zu lächeln. Immer wieder blickte ich zu Jacquard hinauf, der mit dem Kapitän und einigen Offizieren beieinanderstand. Vielleicht meinten sie, wegen der hohen Summe, die er bezahlt hatte, wären sie es ihm schuldig, ihn auf die Brücke zu holen. Ich hoffte, er bemerkte, dass ich so gut wie stumm blieb.
Das Schiff nahm Fahrt auf. Alle freuten sich darüber, wie schnell wir vorankamen. Mir hingegen schien es, als hätten sich die Winde verschworen, mich aus England fortzubringen. Ich entfernte mich von der Gruppe und ging weiter nach vorn, zum Bug des Schiffes. Der Wind peitschte hier die knallenden Segel stärker und riss an meinen Röcken.
Der Fluss weitete sich, und vor mir konnte ich die Mündung zum Meer erkennen. Sie war gar nicht mehr so fern – wir würden sie vielleicht in einer Stunde erreichen. Dann würde England hinter mir liegen. An die hölzerne Reling der auf und nieder schaukelnden Galeone geklammert fragte ich mich, wann ich wohl zurückkehren würde – und mit welch schrecklichem Wissen. Ganz sicher würde ich nicht mehr die sein, die ich heute war.
»Ihr seid doch hoffentlich nicht seekrank, Mrs Rolin?« Charles Adams hatte die anderen verlassen und blickte mich besorgt an. »Verzeiht, wenn ich es sage, aber Ihr seid ganz blass. Ihr habt doch keine Angst vor Piraten? Wir sind gut bewaffnet, und dieser Kapitän ist ein sehr tüchtiger Mann.«
Ich nickte und hoffte, er würde zu den anderen zurückkehren. Doch das tat er nicht.
»Mrs Rolin, darf ich Euch von meinen Früchten anbieten?«, fragte er freundlich. »Hier an Bord gibt es ja nichts als Pökelfleisch und Brot, darum habe ich mir etwas Frisches mitgenommen. Früchte sind gut für den Ausgleich der Körpersäfte.«
Adams kramte in einem kleinen Beutel und entnahm ihm ein eingewickeltes Päckchen voll roter reifer Kirschen.
»Meine Mutter hat darauf bestanden«, erklärte er mit einem etwas verlegenen Lächeln.
»Dann müsst Ihr sie allein essen«, sagte ich.
Doch er beharrte auf seinem Angebot, und so nahm ich mir schließlich eine Kirsche und schob sie in den Mund. Die saftige Süße bereitete mir einen Moment herrlichen Genusses. Von den Früchten, die wir im Klostergarten gezogen hatten, waren mir Kirschen immer die liebsten gewesen.
Das Schiff tauchte plötzlich in ein tiefes Wellental, Wasserspritzte schäumend über die Reling und wir sprangen zurück. Adams lachte. Als ich mir das Wasser vom Hut wischte, fielen ein paar Tropfen in meinen Mund – ich war erstaunt über den salzigen Geschmack. Hier vermischte sich das Meer mit dem Fluss.
»Noch eine Kirsche?«, drängte Adams.
Ich nahm mir eine zweite und schloss genießerisch die Augen, während ich kaute. Die Sonne lag angenehm warm auf meinem Gesicht. »Danke«, sagte ich. »Kirschen sind etwas Köstliches.«
»Ja, das sagt meine Mutter auch immer – und meine Schwester. Wir haben außerhalb von London einen Obstgarten mit Kirschbäumen. Sie sind nicht ganz einfach zu pflegen, habe ich mir sagen lassen.«
»Das stimmt«, bestätigte ich. »Unsere Bäume in Dartford brauchten auch immer besondere Pflege.«
In dem Moment, als ich das Wort Dartford aussprach, wurde mir eiskalt vor Schreck.
»Habt Ihr vor Eurer Heirat in Dartford gelebt?«, fragte er.
»Nein, nie«, stammelte ich. »Ich – ich war dort bei Freunden zu Besuch.«
Dieser Widerspruch verschlimmerte nur meinen Fehler, doch Adams schien sich nichts dabei zu denken. Er packte die Kirschen wieder ein und begann, mir von den Büchern zu erzählen, die er in Antwerpen kaufen wollte. Ich nickte und hörte ihm kaum zu, meine Aufmerksamkeit war einzig auf Jacquard gerichtet, der jetzt zurückkam. Ich war aus tiefster Seele froh, dass er von meinem törichten Fehler nichts gemerkt hatte.
»Meine Frau braucht jetzt Ruhe«, sagte er zu Adams.
»Ja«, stimmte ich eilig zu. »Ich bin wirklich ein wenig müde.«
»Aber natürlich«, sagte Adams. »Schade, ich dachte, die Kirschen hätten Euch erfrischt, Mrs Rolin.«
»Die haben
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