Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
herrlich geschmeckt«, versicherte ich mit einem mühsamen Lächeln.
In der Kabine war es heiß und stickig, trotzdem war ich froh, mich nach meiner Dummheit oben an Deck hier verkriechen zu können. Ich überlegte, ob ich Jacquard etwas davon sagen sollte,doch ich wollte ihn nicht zusätzlich beunruhigen. Ich war sicher, dass Charles Adams die Bemerkung vergessen würde – wahrscheinlich hatte er sie bereits vergessen.
Jacquard kam erst zurück, als ich schon eingeschlafen war. Das Geräusch der Tür weckte mich. Es war stockfinster, ich sah nichts. Doch ich roch den Wein in seinem Atem und hörte ihn, als er sich sein Lager auf dem Boden bereitete. Ich schlief schnell wieder ein. Die Schaukelbewegungen des großen Schiffs halfen mir in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Am Morgen weckte mich das Sonnenlicht, das durch das kleine Fenster in der Kabinenwand fiel. Ich rieb mir die Augen, um wach zu werden. Jacquard stand kaum einen Schritt entfernt und sah zu mir hinunter. In seinem Blick war kein Begehren; im Gegenteil, seine Augen waren kälter, als ich sie je gesehen hatte.
»Was ist?«, fragte ich mit vom Schlaf heiserer Stimme.
»Nichts.«
Er hatte die Kleider gewechselt – ich war froh, dass er es getan hatte, während ich schlief.
»Ich lasse etwas zu essen herunterbringen«, sagte er. »Bleibt hier unten, bis ich Euch hole. Wir haben guten Wind und müssten gegen Abend in Antwerpen anlegen.« Er wartete einen Moment. »Habt Ihr mich verstanden, Joanna Stafford?«
»Wie sollte ich Euch nicht verstehen?«, gab ich verblüfft zurück.
Als er gegangen war, sagte ich mir, dass Jacquards Kälte nur zu erwarten war. Wir befanden uns auf einer lebensgefährlichen Mission. Er hatte gestern vor unserer Abreise alarmierende Nachrichten erhalten und in der Nacht nicht viel geschlafen. Heute Abend schon würden wir Fuß auf niederländischen Boden setzen. Vielleicht sah er diesem Moment mit ebenso großem Zweifel entgegen wie ich, nur dass sich dies bei ihm anders äußerte.
Ich war ruhelos und in Schweiß gebadet, als Jacquard mich endlich abholte. »Unsere Kisten werden sie gleich nach oben bringen«, sagte er, als er mich in den engen Gang hinaus begleitete. Die Treppe zum Deck war nur ein paar Schritte entfernt. »Wirsuchen heute Abend noch Chapuys auf. Vorher gehen wir etwas essen. Ich kenne einen Gasthof in Antwerpen.«
»Warum gehen wir nicht gleich zu Chapuys?«, fragte ich. »Unser Auftrag ist doch das Wichtigste.«
Darauf gab Jacquard mir keine Antwort.
An Deck vergaß ich Jacquards kalte Schroffheit. Es war herrlich, endlich wieder Sonne und Wind auf meiner Haut zu spüren. Unser Schiff hatte die schmale Meeresenge überquert, während ich mich unter Deck aufgehalten hatte. Jetzt segelten wir durch einen breiten Kanal zwischen einer Insel und der niederländischen Küste nach Osten. In diesem blühenden Land lagen die bedeutenden Städte Brüssel und Amsterdam, Antwerpen und Gent. Dass an dieser Küste weit mehr Menschen lebten als an der englischen, war sofort zu erkennen. Dächer und Türme drängten sich dicht am Horizont. Unser Schiff schwenkte in einen von kleinen Booten und mächtigen Galeonen befahrenen Fluss ein, die Schelde, die uns an unser Ziel führen würde.
»Ich hatte ganz vergessen, wie das ist«, bemerkte Charles Adams, der sich zu uns gesellt hatte. »Man hat den Eindruck, die ganze Welt wäre auf dem Weg nach Antwerpen.«
»So ist es ja auch«, erwiderte Jacquard. »Portugiesische Gewürzhändler, deutsche Buchdrucker, mailändische Seidenhändler, venezianische Glasbläser, holländische Buchhändler und« – er verneigte sich vor Adams – »englische Tuchhändler: Alle haben hier ihre Geschäftssitze. Die Habsburger mögen die Herrscher von Flandern sein, doch die eigentlichen Fürsten von Antwerpen sind die Bankiers. Hier gewährt man sogar den Juden Zuflucht – die Verfolgungen in Spanien werden in Flandern heftig missbilligt.«
Den Rest der Fahrt unterhielten sich Jacquard und Adams angeregt über Bücher, Wein und Musik. Ich merkte an der vertrauten Art, wie sie miteinander umgingen, dass sie heute, und vielleicht auch gestern Abend schon, Stunden mit Gesprächen zugebracht hatten. Jacquard hatte offensichtlich eine Zuneigung zu diesem jungen Kaufmann gefasst.
Die Sonne stand tief am Himmel hinter uns, als wir in Antwerpen einliefen. Ihr Licht, das sich blendend hell in den Fenstern der Kirchen, Häuser, Zunfthallen und Gasthöfen der Stadt spiegelte, flammte noch
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