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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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erlöschen würde. Ich wollte mich nicht anpassen, alles in mir wehrte sich dagegen.
    In diesem Moment stolperte uns John durch die High Street entgegen, ein armer Verrückter, der nach dem Tod seiner Eltern in dem vom Kloster geleiteten Armenhaus aufgenommen worden war. Die Verwandten, die er im Dorf hatte, konnten nicht mit ihm umgehen, und so war er, als mit unserem Kloster auch unser Asyl für die Armen und Unerwünschten geschlossen wurde, ins Armenhaus der Gemeinde gesteckt worden. In der neuen verhassten Umgebung begann sein kranker Geist zu brodeln. John weigerte sich, seinen Bart zu schneiden, und bildete sich ein, er wäre Johannes der Täufer. Die Nächte verbrachte er tief unglücklich im Armenhaus, bei Tag streifte er unsinniges Zeug grölend durch den Ort. Die Straßenjungen bewarfen ihn mit Dreck. Uns, aus dem Schutz des Klosters verbannt wie er, dauerte er. Doch er glaubte fest, die aus Kloster Dartford Vertriebenen seien schuld an seinem Unglück. Zielscheibe seines Zorns war, aus unerklärlichen Gründen, vor allem Bruder Edmund.
    »Sehet den großen Strom Euphrat«, donnerte er. »Sein Bett ist ausgetrocknet. Drei unreine Dämonen habe ich wie Frösche aus dem Schlund des Drachen kriechen sehen.« John wandte sich nach links und rechts, als wäre er von andächtig lauschenden Anhängern umgeben. »Sehet, hier ist der falsche Prophet.«
    Bruder Edmund, der längst gelernt hatte, dass mit John nicht vernünftig zu reden war, sagte leise zu mir: »Versprecht mir zu warten – geht nicht ohne mich zum Amt.«
    »John hat noch nie einen von uns angerührt. Ich fürchte ihn nicht«, entgegnete ich.
    »Es ist ja auch nicht John, den wir fürchten sollten«, gab Bruder Edmund zurück. »Schwester Joanna, ich muss ins Hospital.«
    Er lächelte mir noch einmal zu, dann ging er schnellen Schritts die Straße hinunter zu den Patienten, die ihn brauchten.
    John rannte ihm stolpernd nach. »Brüder und Schwestern«, schrie er, »dieser Mensch beschwört mit seinen Wunderwerken die Dämonen des Teufels herauf. Folgt ihm nicht an den Ort, den die Hebräer Armageddon heißen.«
    Ich kehrte Johns Wahnsinn den Rücken, um nach Hause zu gehen. Es betrübte mich, dass Bruder Edmund und die anderen meinen Plänen, eine Tapisseriewerkstatt einzurichten, so wenig Enthusiasmus entgegenbrachten. Ich wusste natürlich, dass es ein gewagtes Unternehmen war. Tapisseriewebstühle und die Seidengarne, die man für die Arbeit brauchte, waren ungeheuer kostspielig. Aber ohne sie ging es nicht – ich musste den Einsatz riskieren.
    Doch die Rente, die man mir und Schwester Winifred ausgesetzt hatte, war gering; einhundert Schilling im Jahr. Novizen erhielten die niedrigsten Beträge. Deshalb hatte ich den Webstuhl von meinem persönlichen Vermögen gekauft, der kleinen Erbschaft von meinem Vater und dem Erlös aus dem Verkauf unseres Londoner Hauses, sowie einem Teil meiner ersten Jahresrente.
    »Aber das ist doch alles, was Ihr habt – wovon wollt Ihr leben, wenn es ein Fehlschlag wird?«, hatte Schwester Winifred händeringend gefragt. »Und was wissen wir schon, wie man so ein Unternehmen führt. Geschäfte werden von Männern geleitet.«
    Ich hatte ihre Bedenken damals genauso in den Wind geschlagen, wie ich es jetzt tat. Mein Unternehmen würde nicht fehlschlagen. Als ich daheim Schwester Beatrice berichtete, was wir in der Kirche gehört hatten, traf es mich mit ganzer Wucht: Von jetzt an würde ich Gott nicht mehr auf die Weise dienen können, die mir als die sinnreichste erschien. Meine Niedergeschlagenheit schlug plötzlich in wilde Entschlossenheit um. Ich musste etwas tun.
    »Ich gehe jetzt los und hole meinen Webstuhl«, verkündete ich.
    »Aber Bruder Edmund hat Euch doch gebeten, auf ihn zu warten«, wandte Schwester Beatrice ein.
    »Ja, aber – « Ich stockte, einen Moment um Rechtfertigung verlegen, dann erklärte ich trotzig: »Er ist nicht mein leiblicher Bruder, er ist nicht mein Vater und auch nicht mein Ehemann. Er ist ein Freund, den ich hoch schätze, aber seine Bedenken sind grundlos.«
    Ich bemerkte Schwester Beatrices ungläubigen Blick. Es war noch nie vorgekommen, dass ich mich den Wünschen Bruder Edmunds entgegenstellte. Zwischen ihm und mir bestand eine innere Verbindung, die sich während unseres verzweifelten Kampfes um das Kloster entwickelt hatte. Einmal, in einem Gasthaus in Amesbury, als wir uns ein Zimmer hatten teilen müssen, hatte sich bei beiden von uns Begehren nach dem anderen geregt.

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