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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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lassen. Im Schlafgemach waren ihre Zofen dabei, das Bett zu richten, während in einem riesigen Kessel über dem offenen Feuer das Badewasser siedete. »Herein«, rief sie, als ich an die Tür klopfte.
    Das kleine Badezimmer wurde beinahe vollständig von einem großen hölzernen Zuber eingenommen, der, wie ich wusste, nach ihren besonderen Angaben gefertigt war. Halb ausgestreckt lag sie darin, das volle dunkle Haar hochgebunden, bis zum Busen von Wasser bedeckt, in dem Kräuter und Essenzen schwammen, dazu die Schalen von Orangen, Früchten, die im Mittelmeerraum gediehen und den Raum in ihren leicht bitteren Duft hüllten.
    Sie fuhr überrascht in die Höhe. »Ich dachte, es wäre die Zofe mit dem Wasser«, sagte sie. Zum ersten Mal sah ich, wie dünn und knochig ihr Körper war, dessen hohen Wuchs und vornehme Haltung die üppige Kleidung so vorteilhaft zur Geltung brachte.
    Constance saß mit einer kleinen geöffneten Kassette voller Papiere auf dem Schoß an der Seite von Gertrude, die ein Schreiben in den Händen hielt. Ohne es weiter anzusehen, schob sie es Constance zu. Die Hofdame beugte sich vor, doch der Brief entglitt ihr und fiel zu Boden. Von einem leichten Luftzug getrieben, landete er vor meinen Füßen. Ich hob ihn auf. Er war nicht in Englisch geschrieben, sondern in Latein.
    »Joanna, so gern ich mich mit Euch unterhalten würde, ich muss zuerst meine Korrespondenz erledigen«, sagte Gertrude. »Ich hoffe, das ist Euch genehm.«
    Ihr Einwand war absolut vernünftig, doch ich spürte eine gewisse Gereiztheit. Sie war nicht ungehalten, eher nervös, und statt mich anzusehen, fixierte sie den Brief in meiner Hand.
    »Natürlich«, sagte ich und reichte das Schreiben Constance, die es in die Kassette auf ihrem Schoß legte. »Morgen vielleicht?«
    Auf dem langen Weg durch die von Wandkerzen erleuchtetenGänge zu meinem Zimmer überlegte ich, was Gertrude so nervös gemacht hatte. Der Brief konnte es nicht sein. Ich hatte nur eine kurze Wendung lesen können: de libero arbitrio . Was übersetzt so viel wie »aus freiem Willen« hieß.
    Aus irgendeinem Grund ließen die Worte mich nicht los. Ich versuchte, mir die Gespräche ins Gedächtnis zu rufen, die ich in den letzten Tagen geführt hatte. Soweit ich mich erinnern konnte, waren diese Worte darin nie gefallen.
    Erst mitten in der Nacht, als ein beunruhigender Traum in den nächsten überging, fiel es mir plötzlich ein. Atemlos fuhr ich in meinem Bett in die Höhe.
    Ich hatte diese Worte vor zehn Jahren bei meinem Besuch im Kloster St. Sepulchre gehört, zuerst aus dem Mund von Schwester Anne und dann aus dem von Schwester Elizabeth Barton.
    »Ihr müsst die Prophezeiungen aus freiem Willen und ohne Zwang empfangen« , hatte die Nonne zu mir gesagt. »Wenn Ihr die dritte vernommen habt, kann nichts den Lauf der Dinge mehr aufhalten. Nichts. «

Kapitel 10
    »Und wie gedeihen die Bemühungen Eures Gemahls, dem König eine neue Gemahlin zuzuführen, Lady Wriothesley?«
    Die Frauen, die Gertrudes Einladung gefolgt waren, brachen in helles Gelächter aus. Lady Jane Wriothesley, hochschwanger und schlicht von Angesicht, schüttelte den Kopf, ohne zu antworten.
    Cecily, die Fragerin, jünger und hübscher als die Ehefrau von Sir Thomas Wriothesley, dem Gesandten des Königs in Brüssel, nippte von dem Gewürzwein in ihrem Glas und heuchelte Bedauern. »Es ist gewiss nicht unsere Absicht, die Geheimnisse des Kronrats auszuspionieren, aber was sollen wir denn anfangen?«,fragte sie. »Seit einem Jahr müssen wir ohne Königin leben. Ganz ohne Kämpfe um Gunst und Position. Es ist unerträglich. Wir beten alle darum, dass Seine Majestät endlich eine vierte Frau nimmt – möglichst noch heute.« Wieder lachten alle, während Cecily ein wenig hilflos kicherte, als hätte sie mit den Worten, die über ihre Lippen gekommen waren, nichts zu tun.
    Ich versuchte, meine Aufmerksamkeit ganz auf die Musik zu richten, die in diesem schönsten Raum des Hauses gespielt wurde. Dank Gertrudes erlesenem Geschmack – und Henrys Geld – war das Haus bis in den letzten Winkel beeindruckend. Doch das Musikzimmer übertraf alles, was umso interessanter war, als ich gehört hatte, dass es bereits eingerichtet war, als die Courtenays den Besitz übernahmen. Drei Wände des hohen Raums waren unter der Decke mit einem Fries geschmückt, dessen in Stein gemeißelte Bilder von einer Truppe wandernder Musikanten und ihrem ausgelassenen Empfang in einer Dorfgemeinschaft erzählten.

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