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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Joanna,
    ich danke Euch für Euer Schreiben aus dem Haus Eurer Verwandten. Es freut mich, dass Ihr mit diesen guten Christenmenschen vereint seid. Aber ich möchte auch nicht, dass Ihr glaubt, wir könnten Euch je vergessen. Bruder Edmund und ich sprechen jeden Tag von Euch. Wir bitten Gott um gute Gesundheit für Euch und Arthur.
    Hier in Dartford geht alles seinen guten Gang, wenngleich ich natürlich weiß, dass unsere dörflichen Aufregungen mit denen, die London zu bieten hat, nicht mithalten können. Bruder Edmund behandelt viele neue Dorfbewohner, und einer seiner Patienten hat für ein Heilmittel sogar mit einer Münze bezahlt. Er ist jeden Tag bis in die Nacht hinein tätig, sodass ich mir Sorgen um ihn mache, aber Ihr kennt meinen Bruder und wisst, welch tiefe Befriedigung er in der Heilkunst findet. Ich hoffe, dass ich ihm in meinem Bemühen, ihm zur Hand zu gehen, immer nützlicher sein kann.
    Ich legte das Schreiben von Schwester Winifred aus der Hand und schloss die Augen, um mir Bruder Edmund vorzustellen, wie er sich über einen ängstlichen fieberkranken Dorfbewohner beugte – den Metzgergesellen, zum Beispiel – und um einen Beruhigungstrank bat; und Schwester Winifred, wie sie eilig die dazu erforderlichen Lattich-, Ampfer- und Veilchenblätter in den Tiegel gab. Er würde leicht ihren zitternden Arm berühren undselbst die Herstellung des Tranks übernehmen, um ihn dann seinem dankbaren Patienten zu verabreichen.
    Aus ganzem Herzen und ganzer Seele wünschte ich mich nach Dartford zurück.
    Gertrude hatte ihr Versprechen gehalten. Sie hatte mich nicht genötigt, den königlichen Hof zu besuchen. Doch an diesem Tag hatte der Hof bei mir Besuch gemacht: seicht und selbstbesessen und – ich sah Lady Rochfords steinernes Lächeln vor mir – gefährlich. Wusste sie, was ihr Ehemann mir angetan, wie gemein er sich an einer unschuldigen Sechzehnjährigen vergangen hatte? Etwas schien sie zu wissen. Würde sie anderen davon erzählen?
    Und ebenso bedrohlich: Wie konnte Gertrude einer Boleyn trauen? Die Boleyns hatten das Leben Katharinas von Aragón zerstört. Es war bekannt, dass Anne Boleyn gedroht hatte, Lady Maria zugrunde zu richten. Nur dank ihrer Hinrichtung war es dazu nicht gekommen. Und dennoch sollte Gertrude eine enge Freundin der Schwägerin von Anne Boleyn sein? Es war mir unbegreiflich.
    Nachdem Lady Rochford mir eröffnet hatte, wer ihr verstorbener Ehemann gewesen war, hatte ich kaum noch Worte gefunden, um die Zeit, da ich mich in den Fängen dieser Frau sah, zu überbrücken. Später flüchtete ich mich in mein Zimmer und blieb dort. Alice brachte mir das Abendessen hinauf, aber ich hatte keinen Appetit. Zum Glück brachte sie auch den Brief von Schwester Winifred mit, wichtigere Stärkung für mich als leibliche Nahrung.
    Jetzt saß sie drüben am Feuer und besserte mit Nadel und Faden einen meiner Röcke aus. Ich nahm Schwester Winifreds Brief wieder zur Hand.

    Es gibt Neuigkeit aus dem Haus der Schwestern von Dartford. Ich weiß nicht, ob Ihr Euch an den Mann erinnert, der am Morgen vor Eurer Abreise in der Dreifaltigkeitskirche den Tod seiner Ehefrau beklagte. Sein Name ist Oliver Gwinn. Schwester Agatha hat mir erzählt, dass er Bruder Edmund und uns allen zutiefstdankbar ist für unser Bemühen, ihn in seinem Leid zu trösten. Er sucht die Schwestern jetzt regelmäßig auf, erledigt Reparaturen im Haus, die lange überfällig waren, und kümmert sich mit ihnen um das Vieh. Seine Güte sei ihnen Wohltat und Erleichterung, sagt Schwester Agatha.
    Geoffrey Scovill, unser neuer Constable, ist überall willkommen. Er ist jeden Tag in der High Street anzutreffen, wo er sich mit den Leuten von Dartford bekannt macht und sich ihre Anliegen anhört. Er sieht es als seine vordringlichste Aufgabe, das Schlachthaus an einen Ort ferner der Dreifaltigkeitskirche zu verlegen. Ich weiß, wie oft Ihr das gefordert habt. Nun also wird es geschehen.
    Gestern Nachmittag kam Mister Scovill ins Hospital, um zu fragen, ob wir von Euch gehört hätten. Ich habe ihm erzählt, dass es Euch wohl ergeht. Ich hoffe, das habe ich recht gemacht, Joanna. Er schien voll guten Willens.
    Geschrieben zu Dartford
    Schwester Winifred Somerville
    Kaum hatte ich den Brief zu Ende gelesen, nahm ich einen Bogen Papier vom Bord und begann zu schreiben.

    Lieber Geoffrey,
    Ihr hattet recht mit dem, was Ihr sagtet, und es tut mir leid, dass wir im Streit auseinandergegangen sind. Ich möchte so bald wie möglich nach

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