Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
Vom Netzwerk:
Der Künstler hatte offensichtlich ein Gefühl dafür besessen, wie sehr Musik das Leben verändern kann. Eine wahrhaft passende Kulisse für die Musiker, die Gertrude und ihre Gäste auf der Laute und der Harfe mit hübschen Madrigalen unterhielten.
    Alles war für einen angenehmen Nachmittag gerichtet – wären nicht die Gäste gewesen.
    Ich bin nie jemand gewesen, dem es leichtfällt, sich in Gesellschaft zu bewegen. Doch Gertrude versicherte mir, dass ihre Freundinnen strenggläubig, kultiviert und höflich seien. »Ich bin sicher, Ihr werdet heute dauerhafte Freundschaften schließen«, sagte sie und drückte mir den Arm, als wir zusammen zum Musikzimmer gingen. Ich zwang mich zu einem Lächeln. Zweifellos war es nichts als Zufall gewesen, dass mir aus dem zu Boden gefallenen Brief die Worte de libero arbitrio förmlich entgegengesprungen waren. Dennoch hatte ich Gertrude nichts von den Erscheinungen im Rittersaal gesagt. Vorläufig würde ich alles, was mich beunruhigte, mit mir selbst abmachen.
    »Liebe Freundinnen, ich möchte Euch die Cousine meines Gemahls vorstellen, Miss Joanna Stafford«, sagte Gertrude laut.
    Fünf Augenpaare musterten mich von Kopf bis Fuß, besichtigten kritisch die ganze geliehene Pracht, mit der ich geputzt war, vom Brokatgewand bis zum Kopfschmuck und zu den Juwelen.
    Es waren Frauen höchst unterschiedlichen Alters. Die mädchenhafte Cecily war die jüngste unter ihnen, die älteste, wie mir schien, eine Frau mit tiefen Fältchen um die Augen, die von allen als Gräfin Elizabeth angesprochen wurde. Cecily saß bei Lady Carew – oder Lady C, wie alle sie nannten –, die in vielsagenden Bemerkungen über ihren Ehemann, Sir Nicholas Carew, durchblicken ließ, dass er bei Hof in hohem Ansehen stand. Das Lächeln der Frauen, als ich die Runde machte, um sie zu begrüßen, irritierte mich, es war höflich, aber so kalt wie ein Wintertag.
    Die Frauen hatten sich zu zweien zusammengetan, nur eine saß allein, weiter als alle anderen von der Musik entfernt, mit einem starren Lächeln im Gesicht, das sie selbst beim Sprechen beibehielt und das die weit auseinanderliegenden grauen Augen unberührt ließ. Meiner Schätzung nach war sie im gleichen Alter wie Gertrude, die sie mit viel Herzlichkeit Lady R nannte. Ihre Haut war alabasterweiß, leuchtend hell, doch glanzlos wie die Schale eines Eis, das zu lange im Schrank aufbewahrt worden ist. Im Profil sah sie aus wie jede andere Frau. Doch als ich sie von vorn sah, mit diesem starren Lächeln und den hervorquellenden Augen, überlief es mich kalt.
    Sie mischte sich jetzt in das Gespräch ein, wie es schien, um Lady Jane Wriothesley aus der Verlegenheit zu helfen. »Es ist nicht die Schuld Eures Gemahls, dass die Verhandlungen um die Hand Christinas, der Herzogin von Mailand, in Brüssel so langsam vorangehen«, sagte sie. »Sie ist immerhin die Nichte von Kaiser Karl.«
    »Und die Herzogin hat ihre eigenen Ansichten über König Heinrich«, murmelte Cecily.
    Gertrude gab der jungen Frau einen leichten Klaps auf die Schulter, bei dem ihr Diamantarmband auffunkelte. Sie trug ein Mieder und Röcke aus Samt in dunklem Gold, einem Farbton,der ihren südländisch-olivgetönten Teint hervorhob. Die Lippen hatte sie sich mit einer Beerenmixtur gefärbt. Gertrude war in ihrer Jugend eine große Schönheit gewesen, und wenn die Gelegenheit es angemessen erscheinen ließ, verstand sie es auch heute noch, Garderobe, Schmuck und Schminke so zu wählen, dass sie ihr Äußeres aufs Vorteilhafteste zur Geltung brachten. »Diesen Klatsch wollen wir doch nicht wiederholen«, sagte sie.
    »Das ist kein Klatsch«, entgegnete Lady C. »Es ist Tatsache. Die Herzogin Christina mag mit ihren siebzehn Jahren noch sehr jung sein, aber dumm ist sie nicht. Zu Sir Thomas Wriothesley sagte sie so laut, dass der ganze Brüsseler Hof es hören konnte: ›Wenn ich zwei Köpfe hätte, stünde einer zu König Heinrichs Verfügung.‹«
    In noch tieferer Verlegenheit als zuvor drückte Lady Wriothesley eine Hand auf ihren runden Bauch, während die Frauen um sie herum vor Lachen schrien.
    »Wir müssen alle dafür beten«, sagte Cecily außer Atem, »dass der König Christina oder eine der französischen Prinzessinnen heiratet und sich nicht anderswo in Europa umsieht.«
    »Anderswo?«, wiederholte jemand.
    Eine der Frauen stöhnte übertrieben. »Sprecht jetzt bitte nicht von Kleve. Das würde mir diesen vergnüglichen Nachmittag gründlich verderben.«
    »Kleve?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher