Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
ich, zum ersten Mal seit meiner Ankunft das Wort ergreifend.
»Cromwell wird vielleicht energischer auf eine protestantische Heirat drängen«, erklärte Gertrude. »Der Herzog von Kleve hat zwei heiratsfähige Töchter.«
Die Stimmung sank merklich. Eine solche Heirat wünschte offensichtlich niemand hier.
Wieder war es Cecily, die für Aufmunterung sorgte. »Also, ich würde auch einer Türkin dienen, die nichts als rote Pluderhosen trägt, wenn ich dafür Hofdame am königlichen Hof werden könnte«, verkündete sie und erntete dafür von den anderen gespielten Tadel.
»Für eine weitere englische Heirat besteht wohl keine Chance?«, fragte die Gräfin.
»Der König scheint nicht so geneigt«, antwortete Gertrude.
»Wenn es eine solche Kandidatin gäbe, würdet Ihr es uns doch sagen, Gertrude, nicht wahr?«, drängte Cecily.
Gertrudes Blick flog zu mir und kehrte dann zu den anderen zurück. »Ich war seit einiger Zeit nicht mehr bei Hof«, sagte sie, und ich glaubte einen Unterton der Warnung in ihrer Stimme zu hören.
Lady R lachte. Es war ein dezentes, aber keineswegs freundliches Lachen. »Spielt das eine Rolle?« Sie schien anzunehmen, dass Gertrude bevorzugtes Wissen über Wünsche und Begehren des Königs zur Verfügung stand. Sie richtete die grauen Augen auf mich. »Ihr wisst sicher, dass wir dem Marquis von Exeter den Aufstieg von Königin Jane zu danken haben, Miss Stafford?«
»Das ist doch Unsinn«, sagte Gertrude scharf.
»Warum leugnet Ihr es?«, rief Lady C. »Wie hätte kleiner Landadel wie die Familie Seymour jemals so etwas zuwege bringen können?«
Gräfin Elizabeth schüttelte den Kopf. »Oh, diese Brüder Seymour – grauenhaft«, sagte sie.
Gertrude holte tief Atem, bevor sie ihrem Herzen mit einem kleinen Lachen Luft machte. »Der Vater war der Schlimmste – sie sind wahrhaftig fürchterlich«, bekannte sie unter allgemeinem zustimmendem Gelächter. Ich bemühte mich, meine Verwunderung – und meine Bestürzung – zu verbergen. Ich erinnerte mich, wie ich sie, kurz bevor ich in ihren Salon getreten war, mit Dr. Branch über ein unscheinbares junges Ding aus fürchterlicher Familie hatte sprechen hören. Jetzt fragte ich mich, ob sie damals die verstorbene Königin Jane Seymour gemeint hatte.
Die Bosheit in diesem Zimmer, die Sticheleien und der Spott – das war nicht das, was ich mir erhofft hatte. Ich fand es abscheulich.
Einen Augenblick später wurde auf silbernen Platten das Gebäck hereingetragen. Gertrudes Feinbäcker hatte sich selbstübertroffen. Einer der Musikanten trug ein reizendes Lied von unerfüllter Liebe zu einer fernen Angebeteten vor und die edlen Damen lauschten und knabberten dazu ihre Küchlein.
Bis auf Gertrude und Lady R, die leise und angespannt miteinander sprachen, ohne Leckereien und Musik zu beachten. Gertrude schien Lady R über irgendetwas zu befragen. Ich schnappte nur ein Wort auf: Londinium .
Als die Musik verklang, stand Gertrude auf, um sich zu ihren anderen Gästen zu gesellen, während Lady R, sehr zu meinem Unbehagen, die Hand hob und mir winkte. Jetzt sollte also ich mich dieser seltsamen Frau widmen. Ich nahm mein halb geleertes Weinglas und setzte mich zu ihr.
Sie neigte sich mir zu. Ein Duft nach welken Veilchen wehte mir entgegen.
»Ich habe allen drei Königinnen gedient«, sagte sie »Wusstet Ihr das?«
»Nein.« Ich schreckte vor dem scharfen Blick dieser Augen zurück. Nicht grau waren sie, wie ich jetzt bemerkte, sondern von einem überaus blassen Blau, mit dunklen Ringen um die Pupillen.
»Ich war Hofdame Katharinas von Aragón, als Ihr 1527 Euren Dienst als Ehrendame bei ihr angetreten habt«, fuhr sie fort. »Wie lange das her ist! Ich habe ein gutes Gedächtnis, aber an Euch erinnere ich mich leider nicht. Interessant ist, dass Ihr Euren Dienst bei der Königin damals nur einen einzigen Tag versehen habt.«
Mir verschlug es den Atem. Woher wusste diese Frau von jenem einen fernen Tag, an dem ich bei Hof gewesen war? Gertrude wusste nichts davon oder hatte jedenfalls nie etwas davon gesagt.
»Verzeiht«, stammelte ich, »aber ich habe Euren vollen Namen nicht verstanden, als wir miteinander bekannt gemacht wurden. Wofür steht das ›R‹?«
Sie neigte sich noch ein Stück näher. Unsere Gesichter berührten sich beinahe.
»Rochford«, sagte sie. »Der verstorbene Lord Rochford war mein Gemahl. Aber als Ihr bei Hof wart, trug er diesen Titel noch nicht. Er war als George Boleyn bekannt.«
Kapitel 11
Liebste
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