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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Dartford zurückkehren. Eine familiäre Verpflichtung wird mich noch bis zum 4. November im Haus meines Cousins festhalten. Sobald sie erfüllt ist, werden Arthur und ich nach Hause reisen. Geschrieben zu London, im Haus Red Rose des Marquis von Exeter
    Joanna Stafford
    Als die Tinte trocken war, faltete ich das Blatt zweimal und verschloss den Brief mit Siegellack, den ich zuvor über der Kerze erhitzthatte. Ich drückte das Siegel so fest auf, dass der rote Lack rundherum auseinanderlief. Zurück blieb ein Mal, das aussah wie eine frische Wunde.
    »Alice«, sagte ich, »dieser Brief muss nach Dartford. Er muss unbedingt mit der nächsten Post abgeschickt werden.«
    Erfreut über den wichtigen Auftrag ergriff Alice das Schreiben, auf dem der Lack noch warm war, und eilte hinaus. Gleich würde es in andere Hände übergehen und dann, vermutlich noch vor Ende des Tages, die Reise nach Dartford antreten. Leichte Sorge regte sich. Vielleicht hätte ich meinen Entschluss, Geoffrey Scovill einen solchen Brief zu schreiben – der erste, den ich ihm je geschrieben hatte –, überschlafen sollen. Ich schob die Bedenken weg. Jetzt war es zu spät für Zweifel.
    Alice kehrte bald mit der Nachricht zurück, dass mein Brief an Geoffrey Scovill unterwegs sei. Außerdem brachte sie mir eine Antwort von Pater Timothy, dem Hauskaplan, bei dem ich angefragt hatte, ob er mir am nächsten Tag noch vor dem Gottesdienst die Beichte abnehmen könne. Die reinigenden Kräfte des Sakraments der Buße würden, so hoffte ich, dazu beitragen, mir Halt zu geben.
    Ich war lange vor Morgengrauen wach und wartete, nachdem ich mich angekleidet hatte, ungeduldig auf den ersten Schimmer Tageslicht. Endlich zeigte er sich – die Nacht zog sich zurück. Als ich mit einer Kerze in der Hand durch die dunklen Gänge eilte, vernahm ich von ferne die ersten morgendlichen Geräusche. Unten, in den Küchen- und Vorratsräumen, hatten die Bediensteten der Familie Courtenay bereits ihr Tagwerk begonnen.
    »Ah, Miss Stafford, ich danke Euch für Euer pünktliches Kommen – mir scheint, mich erwartet heute ein geschäftiger Tag«, sagte Pater Timothy, der am Eingang zur Hauskapelle stand. Eine Reihe frischer Kerzen brannte auf dem Altar hinter ihm.
    Ich stellte meine Kerze in eine steinerne Nische und tauchte die Finger ins Weihwasserbecken. Pater Timothy öffnete die Tür zum Beichtstuhl, einem freistehenden schrankähnlichen Möbel aus polierter Eiche, und schob sich hinein. Ich hörte ihn die Türschließen, bevor er seinen Platz hinter der Trennwand mit der vergitterten Öffnung einnahm.
    Ich betrat meine Seite des Beichtstuhls. Nur der blasse Glanz des silbernen Kruzifixes über dem dicht gefügten hölzernen Gitter durchdrang die beinahe erstickende Dunkelheit. Ich konnte nicht einmal die Umrisse von Pater Timothys Kopf erkennen. Aber ich spürte seinen warmen Atem durch das Gitter, und ich nahm einen schwachen Zwiebelgeruch wahr.
    »Ich höre Eure Beichte«, sagte er.
    »Vater, segnet mich, denn ich habe gesündigt«, sagte ich. »Meine letzte Beichte war vor fünf Tagen.« Ich hielt inne, um mich zu sammeln. Wo beginnen – wie meine Sünden in Worte fassen?
    Plötzlich hörte ich die laute Stimme Henry Courtenays, keine zehn Fuß entfernt. »Was glaubt Ihr, wird Joanna heute zur Morgenmesse kommen?«
    Ich sprang von der schmalen Holzbank. Ich hatte niemanden hereinkommen hören. Aber jetzt waren Henry und Gertrude in der Kapelle. Ich hätte unverzüglich aus dem Beichtstuhl treten müssen. Doch die Erwähnung meines Namens lähmte mich. Auch Pater Timothy blieb still und reglos.
    »Ach, sie wird wahrscheinlich in ihrem Zimmer bleiben und schmollen«, versetzte Gertrude.
    »Ich wünsche nicht, dass du so von ihr sprichst«, sagte Henry schärfer, als es seine Art war.
    »Keine Sorge, mein Herr Gemahl. Ich werde Euren Fang schon pfleglich behandeln.«
    Meine Wangen brannten vor Scham. Wie konnte ich mich jetzt noch zeigen? Warum bezeichnete Gertrude mich als »Fang«? Ich musste wissen, was Pater Timothy jetzt für geraten hielt, aber in der Finsternis konnte ich nichts erkennen. Ich merkte nur an den hastigen, von Zwiebeldunst geschwängerten Atemstößen, die mich durch das Gitter trafen, dass auch er in Nöten war.
    Draußen sagte Henry: »Ich muss dich bitten, Pater Timothy nicht zu nötigen, Predigten über die Bedeutung von Tapferkeit, Mut und Opferbereitschaft zu halten, Gertrude.«
    Seine Frau erwiderte: »Keine Sorge. Ich habe die Hoffnung

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