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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Konfitüren sind vorzüglich. Meine muss noch besser werden.«
    Sie lachte auf die ihr eigene entwaffnende Art, als wollte sie sagen: Ja, es ist albern, ich weiß, aber ich mach’s trotzdem, und ich werde es gut machen. Mich konnte Gertrudes Charme nicht mehr blenden, aber seine Wirkungskraft war nicht zu leugnen.
    »Muss das Essen unbedingt im Rittersaal stattfinden?«, fragte ich.
    Gertrude rührte mit einem langen Holzlöffel in ihrer Konfitüre. »Es findet jedes Jahr dort statt. Der Saal wird überhaupt nur zu diesem Anlass benutzt. Den Männern gefällt das. Sie nennen es ›Plantagenet spielen‹.«
    »Aber er ist so groß, und wir sind nur eine kleine Gesellschaft«, wandte ich ein.
    »So klein nun auch wieder nicht«, entgegnete sie und zählte auf: »Henry und ich, Ihr, Pater Timothy, Lord Montague, seine Schwägerin und Sir Edward Neville. Neville kommt auch immer zu diesen Essen – wenn er sich gerade in London aufhält, wie in diesem Jahr.«
    Ich war erstaunt. »Warum kommt Lord Montague mit seiner Schwägerin und nicht mit seiner Frau?«
    Gertrude runzelte die Stirn. »Sie ist Anfang des Jahres gestorben, Joanna. Ich dachte, das wüsstet Ihr.«
    »Nein, ich hatte keine Ahnung. Das tut mir wirklich leid«, sagte ich und fragte, noch immer verwirrt: »Wer ist denn die Schwägerin?«
    »Constance, die Frau von Godfrey Pole.«
    »Aber Godfrey selbst kommt nicht?« Ich wurde nicht recht klug aus dieser Veranstaltung.
    Gertrude warf mir einen kurzen Blick zu, ehe sie sich wieder auf ihre Konfitüre konzentrierte. »Godfrey sitzt im Tower.«
    Ich fror plötzlich in der warmen, dampfgeschwängerten Küche. Der Sturm der Erinnerungen an die Monate im Tower, in der Kerkerzelle, hinter Mauern, die so dick waren, dass nicht einmal Kanonenfeuer sie erschüttern konnte, packte mich mit eisiger Hand.
    »Warum wird er dort festgehalten?«, fragte ich.
    »Soviel ich weiß, wird er wegen seines Bruders, Reginald Pole, verhört, der sich in Rom aufhält und Pamphlete gegen den König, die Scheidung von Königin Katharina und den Bruch mit der römischen Kirche schreibt. Wir haben uns natürlich alle von Reginald losgesagt« – Gertrude rührte schneller –, »aber der König und seine Leute wollen Gewissheit.«
    »Wie lange wird er schon gefangen gehalten?«
    »Solche Fragen zu beantworten ist Sache meines Gemahls«, antwortete Gertrude kurz. »Es ist sein Festessen, nicht meins.«
    Jetzt meine Furcht bezüglich des Rittersaals anzusprechen, war unmöglich. Ich zog mich zurück und ließ Gertrude mit ihrem brodelnden Kessel allein.
    Den ganzen Tag vermochte ich mich nicht auf Nadelarbeiten oder Gespräche zu konzentrieren. Am Abend saß ich wach und versuchte bei Kerzenschein zu lesen. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass der König in seinem Misstrauen gegen jeden, in dessen Adern auch nur ein Tropfen königlichen Bluts floss, der also Anspruch auf seine Nachfolge hätte erheben können, so weit ging, ihm verdächtige Personen gefangen zu setzen. Jetzt wünschte ich, ich hätte Henrys Bitten zu bleiben widerstanden. Dieses Festmahl, das nur noch vier Tage entfernt war, war mir nicht geheuer.
    Ich weiß nicht, wie spät es war, als ich draußen ein Pferd wiehern hörte. Hufschlag erklang auf den Pflastersteinen. Ich ließ die Kerze am Bett stehen und trat zum Fenster.
    Unten, in der Suffolk Lane, bemerkte ich vier Berittene. Einer von ihnen hatte Schwierigkeiten mit seinem Pferd. In einem Halter neben dem Tor brannte eine einsame Fackel, in deren Schein ich den Reiter mit dem rotbraunen Haar erkennen konnte: Joseph. Und sein Zwillingsbruder, James, auf einem Grauschimmel, war mit von der Partie. Verblüfft sah ich, dass sie in Begleitung von zwei Frauen waren. Joseph gelang es endlich, sein Pferd zu bändigen, und James gab das Zeichen zum Aufbruch.
    Angestrengt versuchte ich, die zwei Frauen zu erkennen. Es waren keine Damen höheren Standes, das verriet die bescheidene Kleidung. Ihre Gesichter waren unter den tief in die Stirn gezogenen Kapuzen nicht auszumachen. Konnten es Dienstmägde sein? Was würden die Courtenays sagen, wenn sie wüssten, dass diese beiden Diener ihres Vertrauens mit Frauen in eine Nacht voller Laster und Gefahr hinausritten? Welch schändliches Verhalten.
    Das Quartett bewegte sich unter meinem Fenster die Straße hinauf, weg von der Themse. Eine der Frauen zügelte ihr Pferd und hob die Hand, um ihre Kapuze zu richten. Das Fackellicht spielte auf ihr. Sie hatte lange, schlanke Finger. Ich

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