Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
ihrenEhemann und ihren Sohn – und auch Arthur und mich – in größte Gefahr brachte.
»Ja«, antwortete ich mit Bedacht. »Ich habe schlecht geschlafen.«
Ich spürte, wie mir heiß wurde, und doch versetzte mich der Entschluss, den ich eben gefasst hatte, auch in eine Art kämpferisches Hochgefühl. Keine Verstellung mehr. Ich werde ihr offen gegenübertreten , dachte ich. Ich habe keine Angst . Zorn machte mich mutig und zielbewusst. Das Bild Bruder Edmunds stieg vor mir auf, der den Kopf schüttelte und mich ermahnte, meinen Zorn zu zügeln.
»Und warum?«, fragte sie.
Ich hob das Kinn. »Weil ich stundenlang wach war und auf Eure Rückkehr gewartet habe.«
Gertrude verzog nur leicht den Mund, sonst blieb sie äußerlich völlig ungerührt.
In diesem Augenblick öffnete Constance die Tür und rief: »Lady Courtenay, Charles ist hier. Er bittet darum, Miss Stafford sprechen zu dürfen. Er sagt, sie habe einen Auftrag für ihn.«
Ohne den Blick von mir zu wenden, erwiderte Gertrude: »Er soll warten.«
Als wir wieder allein waren, sagte sie ganz ruhig: »Wollt Ihr mich nicht fragen, wo ich war? Ihr möchtet meinem Gemahl doch einen vollständigen Bericht überbringen lassen, nicht wahr? So wie Ihr es mit ihm vereinbart habt, als er Euch heimlich in Eurem Schlafgemach aufsuchte. Ich finde, ich habe einiges mit Euch zu besprechen, Joanna. Über die Art Eures Umgangs mit meinem Ehemann.«
»Ihr wisst genau, dass das völlig abwegig ist«, entgegnete ich aufgebracht.
»Ach ja?« Sie lachte. »Ja, wahrscheinlich.«
Ihr Lachen machte mich noch wütender. »Ja, Gertrude, ich werde Euren Gemahl wissen lassen, dass Ihr letzte Nacht nicht zu Hause wart. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt, Charles wartet auf mich.«
Ich wandte mich zur Tür. Doch noch bevor ich zwei Schritte getan hatte, packte sie mich am Handgelenk, genau wie damals in Dartford. Nur diesmal weit energischer.
»Es war kein großer Ausflug, Joanna. Ich hatte eine Verabredung mit einem Mann, der nur schwer zu sprechen ist. Es war mir gelungen, ein Treffen an einem geheimen Ort mit ihm zu vereinbaren, und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Sterne für eine solche Angelegenheit äußerst günstig standen.«
Ich riss mich von ihr los, aber ich ging nicht. Wenn es Gertrude gefiel, sich zu offenbaren, würde ich das nutzen, um alles zu entdecken.
»Wie heißt er?«
»Seinen wahren Namen weiß ich nicht. Niemand kennt ihn. Er hat den Namen Orobas angenommen.«
»Angenommen?«, wiederholte ich ungeduldig. »Was soll das heißen? Was ist das für ein Name: Orobas?«
An Gertrudes schlankem Hals zuckte ein Nerv. »Soviel ich weiß, kommt er aus dem Lateinischen. Ich vermute, er hat diesen Namen für sich gewählt, weil es in heiligen Schriften heißt, Orobas sei ein Prinz der Hölle, der immer wahr spricht.«
Ich schlug das Kreuz.
»Ein Dämon «, rief ich. »Ihr pflegt Umgang mit Leuten, die Dämonen anbeten? Das ist wahrlich die schlimmste Art der Gotteslästerung. Ihr müsst vollkommen von Sinnen sein, Gertrude.«
»Ich bin nicht von Sinnen«, widersprach sie. »Der Mann ist kein Teufelsanbeter. Er hat nur den Namen Orobas angenommen. Ich bin nicht sicher, als was man ihn bezeichnen würde. Ich habe mich für ›Seher‹ entschieden. Und ich pflege keinen Umgang mit ihm. Ich bezahle ihn und bezahle ihn gut dafür, dass er die Zukunft erforscht. Gestern Nacht hat er mir eine Prophezeiung bekannt gemacht, die zu hören ich lange gewartet habe. Eine Aufgabe muss ich noch erfüllen, dann höre ich den Rest. Er hat es geschworen.«
Ich fiel vor Gertrude Courtenay auf die Knie. »Ich bitte Euch«, rief ich händeringend, »ich flehe Euch an – lasst ab. Sucht nichtdie Prophezeiung. Sie ist eine Gefahr für Euch und Eure Familie, für alle, die Euch lieben. Im Namen der Heiligen Jungfrau beschwöre ich Euch, lasst ab von Eurem Vorhaben.«
Völlig unbewegt blickte sie zu mir hinunter. »Das steht Euch wirklich nicht, Joanna. Auf Knien zu bitten. Man könnte es beinahe erheiternd finden, wenn man bedenkt, dass Ihr nahe daran wart, Nonne zu werden.« Sie zerrte mich in die Höhe. Unsere Gesichter waren keine Handbreit voneinander entfernt. »Ich muss es wissen – was hat sie Euch gesagt? Was hat Schwester Elizabeth Barton gesagt, um Euch solche Furcht einzujagen?«
Ich entriss ihr meine Hand und wich so hastig zurück, dass ich über einen niedrigen Tisch stolperte.
»Ihr wisst, dass ich in Canterbury war?«, stammelte ich.
»Ich weiß, dass
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