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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Verbindung zwischen ihnen war. Er war ihr Diener und somit ein Untergebener, aber er war auch ein Verwandter von ihr, und er war weder ein Schwächling noch ein Dummkopf.
    »Wenn sich da unten ein Pöbelhaufen zusammenrottet, kann ich mit einer bloßen Handvoll Männer nichts gegen ihn ausrichten«, sagte James.
    »Ach, das passiert bestimmt nicht. Das ist doch lächerlich«, entgegnete sie. »Wir können nicht stundenlang hier herumlungern, dann versäumen wir noch die verabredete Stunde. Wir reiten weiter. Sofort.«
    Kopfschüttelnd schwang James sich wieder in den Sattel. Leise Furcht regte sich unter den Männern, die uns begleiteten. Doch der Marquise von Exeter wagte niemand zu widersprechen.
    Einer hinter dem anderen ritten wir sehr langsam die Gasse hinunter. Die Pferdehufe klirrten auf dem holprigen Pflaster. Jetzt erst fiel mir auf, dass der Mann, der an meiner Seite ging, an einer Missbildung litt, die eine Schulter war höher als die andere. Ich sprach lautlos ein Gebet für ihn.
    Die Gasse war so schmal, dass ich bei ausgestreckten Armen die Mauern der stillen Häuser zu beiden Seiten hätte berühren können. Unten trafen wir auf eine breite Straße und das lodernde Feuer, das ich zuvor schon bemerkt hatte. Es brannte vor dem uns am nächsten stehenden Gebäude und war von einem Kreis von Männern umgeben, die sich die Hände wärmten. Im Inneren des Hauses brannten Dutzende von Kerzen, und hinter den gesprungenen Scheiben der hohen Fenster im Erdgeschoss konnte ich, vom flackernden Licht umrissen, ungezählte Köpfe erkennen. Es musste nahe an Mitternacht sein, doch das Haus war brechend voll. Eine Schenke, vielleicht eine Spielhölle. Anspannung ergriff mich.
    Ich war jetzt nahe genug, um die harten jungen Gesichter der Männer unterscheiden zu können, die um das Feuer standen, und um die Luft um sie herum zu riechen: verkohltes Holz, Bier und Erbrochenes. Es war alles so – hässlich. Ja, ich hatte schon früher die dunklen Seiten der Seele kennengelernt – doch da waren sie von Verstellung und einer dünnen Fassade von Anstand verbrämt gewesen. Hier gab es keine Verstellung und keine Fassade.
    Die Männer um das Feuer zeigten kein Interesse an uns. Meine Schultern lockerten sich wieder. Niemand würde sich uns in den Weg stellen. James’ Befürchtungen waren unbegründet.
    Plötzlich flog eine Tür auf. Ein Mann torkelte heraus, den Arm um eine Frau geschlungen, deren Brüste aus dem Mieder quollen. Als sie uns bemerkten, blieben sie stehen. Ich senkte hastig den Blick und trieb mein Pferd an.
    Die Frau kreischte: »He, was ist das?«
    Ich hielt den Kopf gesenkt.
    »Sind das neue Huren für den Markt?«, schrie sie. »Southwark ist drüben am anderen Flussufer.«
    Ihr Begleiter lachte grölend. Dann sah ich einen der jungen Männer vom Feuer auf mich zu kommen. James wendete sein Pferd, um ihm den Weg abzuschneiden. »Wir wollen keinen Ärger«, rief er. »Lasst uns passieren.« Er versuchte vergeblich, einen leichten, vertraulichen Ton anzuschlagen.
    »Wenn ihr keinen Ärger wollt, was sucht ihr dann hier?«, rief der Begleiter der Hure.
    »Lasst uns passieren«, wiederholte James.
    Immer mehr Männer kamen jetzt aus dem Haus gelaufen. Die Tür flog ununterbrochen auf und zu. Bald war unsere Gruppe weit in der Unterzahl.

Kapitel 16
    Vorhin hatte ich noch zu Gertrude gesagt, ich hoffte, wir würden angegriffen werden, bevor wir den Seher erreichten. Wie töricht! Mit einer Hand packte ich die Zügel meines Pferdes, mit der anderen griff ich nach dem Rosenkranz, der an meiner Taille hing.
    Gertrude war vor mir, umringt von fünf unserer gedungenen Beschützer und den Fackelträgern. Auch Joseph war an ihrer Seite.
    James versuchte, mir zu helfen. Er hatte offensichtlich vorgehabt, sich zwischen mich und die wachsende Menge zu drängen, um mich zu Gertrude und in Sicherheit zu bringen. Doch die Männer hatten die Straße schon erreicht und hielten ihn auf. Er konnte nicht vorwärtskommen, ohne jemanden niederzureiten. Ich sah seinen Blick über die Menge fliegen, während er erwog abzusitzen. Er tat es nicht.
    Nur noch der Mann mit der schiefen Schulter befand sich zwischen mir und den betrunkenen Spielern. »Zurück!«, schrie er, seinen Knüppel schwingend.
    Jemand lachte. Ich konnte nur hilflos zusehen, wie einer der Betrunkenen meinen Beschützer ins Gesicht schlug. Er stürzte zu Boden. Ich konnte ihn nicht mehr sehen, aber ich hörte seine Schreie und sein Stöhnen, als die Menge auf ihn

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