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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Straße traten und den Weg zum Stall nahmen.
    »Lass sie ja nicht weg«, befahl James seinem Zwillingsbruder Joseph, nachdem er mich hineingebracht hatte, und eilte zurück. Joseph brummte zustimmend und fasste mich scharf ins Auge, während er in beiden Händen einen Strick drehte, als hätte er gute Lust, mich zu fesseln.
    Ich beachtete ihn nicht. Die Pferde schnaubten und schnoberten in ihren Boxen, und ich dachte an Schwester Elizabeth Barton. Vielleicht hatte Gertrude wirklich die Wahrheit gesagt. Vielleicht hatte Schwester Elizabeth nur widerrufen, um den Verhören ein Ende zu bereiten und damit zu verhindern, dass die Leute des Königs von mir erfuhren.
    » Ihr seid die Ausersehene, die nachkommen wird … «
    James führte Gertrude herein, bescheiden gekleidet wie eine Dienstmagd. Constance war nirgends zu sehen. Diesmal würde ich an ihrer Stelle das Quartett komplettieren.
    Am oberen Ende der Suffolk Lane bogen wir auf unseren Pferden in eine breitere Straße zwischen niedrigen Fachwerkhäusern ein. In keinem der Fenster schimmerte Licht. Längst war die Nachtruhe eingeläutet worden, und alle anständigen Leute lagen in ihren Betten und schliefen. Bei Tag war London von Lärm erfüllt – vom Hufschlag der Pferde und vom Rumpeln der Fuhrwerke, von Glockengeläut, Geschrei und Gelächter –, doch nachts war es totenstill.
    Vor einer Straßenbiegung sprang James plötzlich vom Pferd und pfiff mehrmals hintereinander kurz und schrill.
    Zwei junge Burschen kamen aus einer Gasse angerannt. Sie trugen ein langes Bündel zwischen sich, das sie James übergaben. Ein beißender Geruch breitete sich aus, dann flammte gelbes Licht auf. Die Burschen hatten uns Fackeln für den nächtlichen Ritt mitgebracht.
    Ihnen folgten weitere dunkle Gestalten, Männer diesmal, sechs an der Zahl. Einer nach dem anderen nahmen sie die Münzen entgegen, die James ihnen hinhielt. Im Fackelschein waren die Knüppel und die zugespitzten Stöcke zu erkennen, die sie bei sich hatten.
    Wir bildeten eine Gruppe: Gertrude und ich in der Mitte, geführt von James und den Fackelträgern und umgeben von den gedungenen Beschützern. Den Schluss bildete Joseph.
    Zum ersten Mal sprach Gertrude mich an. »Wenn wir mit heiler Haut aus den Stadtvierteln wieder herauskommen wollen, die wir heute Nacht passieren müssen, braucht es mehr als ein paar Fackelträger. Diese Männer bekommen dafür, dass sie uns beschützen, einen höheren Lohn, als sie sonst in einem ganzen Jahr sehen würden.«
    Nach einer kleinen Pause entgegnete ich: »Ich bete zu Gott, dass sie scheitern, damit wir unser Ziel niemals erreichen.«
    Gertrude ritt näher an mich heran. Ich konnte ihr Gesicht unter der Kapuze nicht erkennen. Aber ich hörte jedes Wort. »Ihr habt unter den politischen Schachzügen des Königs mehr gelitten als die meisten, Joanna. Euer Onkel enthauptet, Eure Cousine grausam auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Eure Familie ihres gesamten Besitzes beraubt. Und schließlich auch noch Euer Kloster, Eure geistige und weltliche Heimat, dem Erdboden gleichgemacht. Und dennoch wollt Ihr Euch absolut nicht zur Wehr setzen.«
    Der wütende Trotz, der aus ihren Worten sprach, verstörte mich. »Zur Wehr setzen?«, wiederholte ich. Die Vorstellung war absurd. Heinrich Tudors Leute waren Männer von äußerster Gewissenlosigkeit. Er hatte die Vorherrschaft der Kirche gebrochen; Soldaten nahmen nur von ihm Befehle entgegen. Seine Untertanen fürchteten seine Macht.
    »Der König ist unser gesalbter Herrscher«, sagte ich. »Gott gebietet uns, ihm zu gehorchen.«
    »Seid Ihr da sicher?«, fragte Gertrude.
    Zum ersten Mal zweifelte ich an Gertrude Courtenays Verstand. »Heinrich VIII. ist unser König «, entgegnete ich heftig.
    »Vielleicht nicht mehr lang«, gab sie zurück. »Der Papst hat vor zwei Jahren schon eine Bulle zu seiner Exkommunikation verfertigt. Seine Heiligkeit hat nichts unversucht gelassen, um England in die Gemeinschaft der Kirche zurückzuholen, aber nach dieser letzten Abscheulichkeit, der Plünderung der heiligen Schreine, ist er jetzt nahe daran, sie zu besiegeln. Heinrich Tudor wird exkommuniziert werden.«
    Exkommuniziert . Mich schauderte bei dem Wort, wie es jeden Christenmenschen geschaudert hätte. Unser Hauskaplan hatte es gern als Waffe benutzt, um die widerspenstigen Stafford-Kinder zu bändigen. Noch jetzt, Jahre später, konnte ich seine schrille Stimme hören, wie er das Wort in einzelne Silben zerlegte: »Ex-kom-mu-ni-ziert werden

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