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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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sprechen Recht. Sie erlassen Gesetze. Die Schuldigen werden zu Gefangensetzung oder zum Tod am Galgen verurteilt. So war es immer. Am Anfang, als Brutus von Troja diese Stadt gründete, zähmte er zwei gewaltige britannische Riesen, Gog und Magog, und zwang sie, die Stadt zu bewachen. Dann feierten die Druiden, die keltischen Priester, hier ihre Rituale. Sie verstanden ihre Messer sehr genau zu führen, und sehr grausam. Aber im Vergleich zu den Römern war das nichts.« Hagar wies in die Tiefe. »Hinter dieser Lehmmauerwar ein riesiges Amphitheater. Dort hielten die Römer ihre Spiele ab, bei denen verurteilte Verbrecher unter dem Jubelgeschrei Tausender von wilden Tieren zerrissen wurden.«
    So grotesk ihre Geschichten waren, sie verdrängten meine Müdigkeit. Der Gang, durch den wir nun abwärts tappten, hatte sich verändert. Die Stufen waren hier von ganz anderer Beschaffenheit, aus hellem, glattem Stein gehauen. Viel älter, und in genauer Symmetrie von Länge und Breite gearbeitet.
    »Jetzt ist es nicht mehr weit, Braut Christi«, murmelte Hagar. »Ich habe gehört, wie die Marquise von Exeter Euch sagte, dass wir in eine Krypta hinuntersteigen. Das ist nicht ganz richtig. Ursprünglich war es ein Heiligtum. Die Römer erbauten diesen Raum neben dem Amphitheater, um dort die Göttin Diana mit Gebeten und Opfergaben zu ehren. Die jungfräuliche Diana.«
    Hagar kicherte. Ich fand es abstoßend, wie sie sich über die Keuschheit lustig machte.
    Wir hatten das Ende der Treppe erreicht und drängten uns nun in einer Art flacher Mulde vor einer Mauer aus demselben hellgrauen Stein wie die unteren Stufen der Treppe. Hagar wies nach links zu einer gewölbten Öffnung mit bröckelnden Wänden. »Vor Euch seht Ihr das Tor nach Londinium, Braut Christi«, verkündete sie mit übertriebener Feierlichkeit.
    »Es ist nicht nötig, mich dauernd so zu betiteln«, sagte ich ärgerlich. »Ich bin keine Novizin mehr. Mein Name ist Joanna – «
    In diesem Moment, als ich ansetzte, meinen Familiennamen zu nennen, fiel es mir ein. Ich wusste, dass ich das Wort Londinium irgendwann in den letzten Wochen gehört hatte. Und jetzt erinnerte ich mich: auf Gertrudes Fest aus dem verschwörerisch flüsternden Mund von Lady Rochford.
    »Nein«, rief ich laut, mich nach Gertrude umwendend. »Das kann ich nicht.«
    Gertrude trat einen Schritt zurück. »Was ist denn?«
    »Hier ist der Ort, von dem Lady Rochford Euch berichtet hat – hier haben die Boleyns ihren Hexenkünsten gefrönt«, sagte ich.
    Gertrude schwieg. Ich wandte mich Hagar zu. Sie stand reglos,das Gesicht unbewegt. Mehr Bestätigung brauchte ich nicht. Orobas hatte den Boleyns gedient.
    »Es ist mir gleich, was Ihr mir antut, Gertrude«, sagte ich. »Erzählt Eurem Gemahl, erzählt der Welt über mich, was Ihr wollt. Es kümmert mich nicht mehr. Niemals werde ich einen Teufelspakt schließen wie die Boleyns. Niemals.«
    »Sie sollte aus freiem Willen kommen«, bemerkte Hagar zu Gertrude. »Ihr seid genauestens belehrt worden.«
    Gertrude schüttelte heftig den Kopf. »Joanna! Nein, nein.« Sie packte mich bei den Schultern. »Ich weiß, dass Ihr mich hasst. Ich habe Euch belogen und betrogen. Aber nur, weil ich musste. Bitte, bitte kommt mit. Ich werde nicht zulassen, dass Ihr zu Schaden kommt. Ich bin Christin – genau wie Ihr. Ich liebe den wahren Glauben – genau wie Ihr.«
    »Ja, ich folge dem wahren Glauben, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es Gottes Plan ist, dass ich mich dem Bösen verschreibe«, rief ich erregt. »Das ist ausgeschlossen.«
    Gertrude weinte jetzt. »Wir müssen herausfinden, wie der König zu besiegen ist, Joanna. Ich weiß, Ihr habt Angst, aber Ihr seid unsere letzte Hoffnung. Denkt an meinen Sohn. Und an meinen Gemahl.« Die Tränen rannen ihr über das gepeinigte Gesicht. »Dies ist das einzige Mittel – das einzige. Könnt Ihr denn nicht Eure Angst hinter Euch lassen, um eine Tat zu vollbringen, die notwendig ist, um die Seelen so vieler zu retten?«
    Sie ließ meine Schultern los, taumelte mir entgegen und umfing mich. »Ich bitte Euch«, flehte sie. »Ich bitte Euch.«
    Ich schob sie weg. »Gut, ich gehe mit Euch, aber nur unter einer Bedingung.«
    Ihre Züge erschlafften vor Erleichterung. »Nennt sie mir.«
    »Henry hat vor, nach dem Festessen für Lord Montague mit Euch und Edward in den Westen zu reisen. Ihr müsst London unverzüglich verlassen und mir vor Gott schwören, dass Ihr keine verschwörerischen Pläne verfolgen und

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