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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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wird sich nicht abweisen lassen.
    Sonia schlingt ihre Arme um Luisa. »Es tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass es so kommen wird. Die Seelen wollen etwas von uns, von Lia, und jetzt … Nun, jetzt werden sie nicht eher ruhen, bis sie haben, wonach sie verlangen.«

18
     
     
     
     
    D as Erntedankfest verbringen wir in sorglosem Vergnügen. James und sein Vater kommen zu Besuch, und während wir uns im Wohnzimmer die Zeit mit allerlei Spielen vertreiben, wehen uns aus der Küche köstliche Düfte entgegen. Henrys Gesicht leuchtet auf wie eine Sternschnuppe, als Sonia sich bereit erklärt, eine Partie Schach mit ihm zu spielen. Es scheint ihm nichts auszumachen, dass sie ihn haushoch schlägt, denn sie schenkt ihm ein liebevolles Lächeln, während sie ihn schachmatt setzt.
    Alice ist zurückhaltend. Wie ein Tier, das die Gefahr wittert, betrachtet sie uns aus der Ferne, wie wir am Kamin sitzen und fröhlich sind. Bei Tisch setze ich mich rechts neben James und Alice beansprucht zu meiner Überraschung den Platz zu seiner Linken für sich. Ihre Nähe macht mich nervös, obwohl mir James’ Gestalt zumeist den Blick auf meine Schwester versperrt. Ich schiebe mein Unbehagen beiseite. Das Essen ist delikat, der Wein geht
ins Blut, und so verbringen wir zwei herrliche Stunden mit Essen und Plaudern.
    Nachdem wir von dem köstlichen Mahl Portionen verspeist haben, angesichts derer Miss Gray uns wohl für unsere Unmäßigkeit gescholten hätte, ziehen wir uns wieder ins Wohnzimmer zurück. Wir überreden Tante Virginia dazu, sich ans Klavier zu setzen. Dann versammeln wir uns um sie, singen, lachen und stoßen uns gegenseitig mit den Ellbogen an, wenn wir den Liedtext vergessen haben. Selbst Alice fällt mit ein, obwohl sie sich von Sonia und Luisa fernhält. Dann verhallt der Refrain der letzten Ballade und Stille macht sich im Wohnzimmer breit. Das Feuer ist heruntergebrannt, und Tante Virginia, die sonst nie Zeichen von Müdigkeit erkennen lässt, muss ein Gähnen unterdrücken. Henry ist neben dem Kamin eingeschlafen. Seine dicken Locken fallen ihm über die Augen.
    »Nun, ich möchte ja die fröhliche Stimmung nicht zerstören, aber ich glaube, da muss jemand dringend ins Bett.« James schaut über meine Schulter, und ich folge seinem Blick in dem Glauben, dass er Henry meint.
    Aber James’ funkelnde Augen sind auf Mr Douglas gerichtet, der mit dem Kinn auf der Brust auf dem Sofa sitzt und schnarcht. Ich kichere leise, weil ich keinen von beiden aufwecken will.
    »Tja, nun … Es ist schon ziemlich spät. Soll ich Edmund bitten, deinen Vater zur Kutsche zu bringen?« Ich nicke zu Mr Douglas hin.
    »Nein, danke. Das schaffe ich schon.«

    Schläfrig schlurfen wir alle zur Kutsche, in die James seinem Vater hilft, und dann winken wir ihnen zum Abschied fröhlich zu. Tante Virginia geht, um die Arbeit in der Küche zu überwachen, und Luisa und Sonia ziehen sich in ihre Zimmer zurück. Ich schaue mich um, ob noch jemand in der Nähe ist. Dann schlüpfe ich aus dem warmen Haus hinaus auf die Veranda zu James.
    Er verschwendet keine Zeit, zieht mich in die Arme und wickelt eine Haarsträhne von mir um seine Hand. Dann liegen seine Lippen auf meinem Mund, und ich öffne ihn wie eine Knospe, bis die Blütenblätter voll und geschwollen sind. In solchen Momenten fühle ich mich, als wäre ich eine ganz andere Lia - eine, die sich nicht um Miss Gray und ihre Schulbücher kümmert, nicht um Regeln und Konventionen. Eine, der es egal ist, was man von ihr erwartet. Dies sind Momente, in denen ich nicht glauben kann, dass etwas so Erfüllendes, so tief Empfundenes falsch sein kann.
    Es ist James, der sich von mir löst. Es ist immer James, der sich zurückzieht, obwohl er auch derjenige ist, der mich zu sich holt. »Lia, Lia, ich bin so glücklich, wenn wir zusammen sind. Das weißt du doch, oder?« Seine Stimme ist rau.
    Ich lächle ihn neckisch an. »Ja, sicher. Wenn ich dich nicht gerade mit meinen Argumenten und meiner Neugier in den Wahnsinn treibe!«
    »Du treibst mich mit etwas ganz anderem in den Wahnsinn.« Er grinst, doch dann wird seine Miene ernst. »Es
stimmt zwar, dass wir noch nicht ernsthaft darüber geredet haben, und ich kann dir auch nicht das Leben bieten, das du gewohnt bist. Aber ich möchte, dass du eines Tages, wenn die Zeit reif ist, die Meine wirst.«
    Mein Nicken erfolgt zögerlicher als beabsichtigt. »Nur …«
    »Nur was?« Sorge beschattet seine Augen. Wir haben den ganzen Abend lang gelacht

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