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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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muss.
    Ich schüttele den Kopf, will verneinen, will mir die Schwäche nicht anmerken lassen. »Nein. Es… es ist nicht so, wie du sagst.« Sanfter spreche ich weiter, appelliere an die Alice meiner Kindheit, an die Alice, die ich liebe. »Es stimmt, dass ich mir ein Leben mit James wünsche, aber ich will dieses Leben nicht in der Dunkelheit führen, die Samael über der Welt ausbreiten würde. Das verstehst du doch sicher, Alice. Über eine Sache sind wir uns einig: Wir arbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin, ein Ziel, das leicht zu definieren ist. Du bist der Wächter. Es ist deine Pflicht, die Welt vor Samael und den verlorenen Seelen zu beschützen. Und ich… Nun, auch ich habe die Wahl. Und ich werde ihnen nicht beistehen. Ich werde nichts tun, was ihnen helfen könnte, die Dinge und die Menschen zu zerstören, die ich liebe. Und das ist doch unser gemeinsames Ziel, nicht wahr? Henry zu beschützen, und Tante Virginia, die Familie, die uns noch geblieben ist.«
    Ihr Gesicht liegt halb im Schatten verborgen, aber ich sehe, wie sie zögert, als ich auf Henry und Tante Virginia
zu sprechen komme. Es dauert eine Weile, bis sie etwas sagt, und währenddessen lösen sich eine Reihe von Empfindungen auf ihrem Gesicht ab. Mit einem einzigen Herzschlag weicht die kindliche Unsicherheit einer tiefen Resignation.
    »Ich war nicht dazu bestimmt, der Wächter zu sein. Wir beide wissen das. Das ist der Grund, warum ich fühle, was ich fühle. Warum ich schon von Kindheit an weiß, dass ich den Seelen verpflichtet bin, egal welche Bezeichnung die Prophezeiung mir auch zuschreiben mag. Ich … ich kann nichts gegen meine Gefühle tun. Ich bin, was ich bin.«
    Ich wende mich ab. Ich will nicht, dass sie so spricht. Es fällt mir schwer, die Alice meiner Kindheit so reden zu hören. Wäre es die Alice, die ich in den vergangenen Wochen kennenlernte, die Alice mit den kalten Augen, dem harten Gesicht… dann wären ihre Worte leichter zu ertragen.
    Sie leckt sich über die Lippen, sodass sie in der Dunkelheit glänzen. »Wenn wir zusammenarbeiten, Lia, bleiben wir unversehrt. Wir und die, die wir lieben. Ich kann für deine Sicherheit garantieren. Und für die von James, Henry und Tante Virginia. Das sind doch die Menschen, die das Leben lebenswert machen, nicht wahr? Was spielt es für eine Rolle, wer die Welt regiert, so lange die Dinge, die uns etwas bedeuten, Bestand haben? Wäre nicht ihr Schutz und ihre Sicherheit das kleine Opfer wert?«
    Verzweiflung schleicht sich in ihre Worte und löst mich aus dem Bann ihrer Stimme. Ein heftiger Schauer durchfährt mich, als ob ich die leise Verlockung abschütteln
müsste, die mich an sich ziehen will, selbst jetzt noch, wo ich sie abwehre.
    »Ich … ich kann das nicht tun, Alice. Ich kann einfach nicht. Auch ich kann nicht über meinen Schatten springen. Auch ich bin, was ich bin.«
    Ich erwarte, dass sie zornig wird, aber in ihrer Stimme liegt nur Traurigkeit. »Ja. Das dachte ich mir. Es tut mir leid, Lia.«
    Ihre Hand sucht in der Dunkelheit nach meiner, und sie nimmt sie so, wie sie es immer tat, als wir noch klein waren. Ihre Hand ist nicht größer als meine, und doch gab es eine Zeit, als ich mich sicher fühlte, wenn sie mich so festhielt. Ich weiß nicht, warum sie mir sagt, dass es ihr leidtue, aber ich fürchte, das werde ich schon bald herausfinden.
    Und niemals wieder wird meine Hand bei ihr sicher sein.

19
     
     
     
     
    L ia!« Sonia winkt mich ins Gästezimmer. Ich wollte gerade in mein eigenes Zimmer gehen. Das Gespräch mit Alice klingt mir noch in den Ohren.
    Ich trete ein. »Ich dachte, ihr würdet nach einem so langen Tag schon längst schlafen.«
    »Es war herrlich heute, Lia. Aber wir haben trotzdem noch Arbeit vor uns, nicht wahr?« Sonias Augen gleiten zu Luisa, die auf dem Bett sitzt.
    Ich zögere, dann nicke ich. Ich kann nur hoffen, dass Luisa genauso verständig ist wie Sonia.
    Luisa hebt die Augenbrauen. »Was ist, Lia? Stimmt etwas nicht?«
    Ich setze mich ans Fußende des Bettes. »Nicht direkt. Aber es gibt etwas, das ich dir bisher noch nicht sagen konnte. Etwas, das ich herausfand, nachdem du und Sonia kürzlich bei mir wart.«
    »Was denn?«

    Ich fahre mir mit der Hand über die Stirn und versuche, meine Nerven zu beruhigen. Dann setze ich an, ihr das zu eröffnen, was die Freundschaft, die ich so sehr schätzen gelernt habe, möglicherweise ruinieren wird. Es gibt nichts zu beschönigen, und daher sage ich ihr rundheraus den Grund dafür,

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