Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
Vom Netzwerk:
warum mein Zeichen anders ist als ihres und Sonias. Ich widerstehe der Versuchung, meine Worte mit Vernunft oder der Versicherung meiner guten Absichten zu garnieren. Wenn wir wahrhaftig zusammenarbeiten wollen, muss Luisa begreifen, was ich bin.
    Zunächst kommt nichts. Weder Protest noch die Wut, die ich erwartet hätte. Sie schaut mir in die Augen, als ob die Antworten auf alle Fragen dort verborgen lägen. Endlich streckt sie den Arm aus und nimmt meine Hand, die Hand, die Alice gerade für immer losgelassen hat. Die Worte, die sie ausspricht, sind einfach, aber sie geben mir Anlass zur Hoffnung.
    »Erzähl mir alles.«
    Und das tue ich. Ich erzähle ihr von der Prophezeiung, von der Rolle, die ich darin spiele, von dem Medaillon. Sie nimmt meine Enthüllungen mit stoischer Ruhe auf. Die Erkenntnis, dass ich der Engel bin, das Tor, vermag ihre Entschlossenheit nicht zu erschüttern. Ich komme zum Ende meiner Geschichte, wohl wissend, dass der Rest von uns allen geschrieben werden wird.
    »Also sind wir wieder bei den Schlüsseln angelangt«, sage ich. »Aber jetzt wissen wir mehr.«

    Luisa nickt. Ihre Locken wippen auf dem Ansatz ihres Nackens auf und ab. »Und hier kommt diese geheimnisvolle Madame ins Spiel, nicht wahr?«
    Überrascht schaue ich Sonia an.
    Sie legt den Kopf leicht schräg und lächelt. »Ich habe ihr von unserem Besuch bei Madame Berrier erzählt.«
    »Gut. Dann sind wir alle auf demselben Stand.«
    »Ja«, erwidert Luisa, »nur…«
    »Nur was?«
    »Nun, warum habt ihr mich nicht dorthin mitgenommen? Ich hätte zu gerne mehr über die Prophezeiung erfahren…« Ich höre die Kränkung in ihrer Stimme und merke, wie mich ein leichtes Schuldgefühl überkommt, aber Sonia antwortet ihr, noch bevor ich den Mund aufmachen kann.
    »Das ist meine Schuld, Luisa. Die Magd von Mrs Millburn ist die Freundin einer Magd von Birchwood Manor. Es war einfach, Lia eine Nachricht zukommen zu lassen. Ich habe mich nicht getraut, auch dich in Wycliffe zu informieren. Ich wollte nicht, dass du Schwierigkeiten bekommst, und ich wusste genau, dass es für dich kein Halten mehr gegeben hätte, wenn du von unserem Plan erfahren hättest, egal mit welchen Konsequenzen du hättest rechnen müssen.«
    Luisas Schweigen lässt mich befürchten, dass wir ihre Gefühle ernsthaft verletzt haben, aber schon folgt ihr zerknirschtes Eingeständnis. »Du hast vermutlich recht. Ich bin aber auch manchmal zu störrisch!« Sie lacht über ihre
eigene Selbstkritik. »Also, was sagt diese geheimnisvolle Frau?«
    »Sie erzählte uns, dass Samhain ein uralter Feiertag der Druiden ist, der die Zeit der Dunkelheit einläutet.« Ich setze mich aufrecht hin und ziehe mir die Klammern aus dem Haar. »Offensichtlich fällt dieser Feiertag auf den 1. November, obwohl wir uns nicht vorstellen können, was das mit den Schlüsseln zu tun hat. Das Einzige, was auch nur annähernd von Interesse ist, ist die Tatsache, dass Sonia an diesem Tag Geburtstag hat.«
    Luisa zuckt hoch. »Wie bitte?«
    Ihr Gesichtsausdruck lässt mich innehalten, und ich senke meine Hände, lasse mein Haar über meine Schultern fallen.
    Sonia mischt sich von dem anderen Bett aus ein, auf dem sie sitzt. Den Kopf hat sie bequem gegen die Kopfstütze gelehnt. »Lia sagte gerade, dass ich zufällig an Samhain, am 1. November Geburtstag habe.«
    Luisas Gesicht ist blass geworden. »Luisa, was ist denn?«, frage ich sie.
    »Nur dass … das ist wirklich zu merkwürdig…« Sie schaut ins Feuer und spricht die Worte wie zu sich selbst.
    »Was ist merkwürdig?« Sonia richtet sich auf und rutscht zur Bettkante.
    Luisa schaut zu Sonia hinüber. »Dass der 1. November dein Geburtstag ist. Es ist merkwürdig, weil es auch meiner ist.«
    Sonia steht auf und geht zum Feuer. Dann wendet sie
sich wieder zu uns. »Aber das ist doch… Welches Jahr?«, fragt sie mit zitternder Stimme.
    »1874.« Flüsternd kriecht die Jahreszahl bis in die dunkelsten Winkel des Zimmers.
    »Ja.« Sonia nickt langsam. »Ich auch.«
    Ich stehe auf und gehe vor den beiden hin und her, versuche, meine Gedanken um die unzähligen, völlig voneinander losgelösten Fragmente dieses Rätsels zu schlingen. »Aber das macht keinen Sinn. Ich habe nicht am 1. November Geburtstag, also hat das nichts mit uns allen zu tun, sondern nur mit euch beiden.« Ich murmele laut vor mich hin. »Wie sollen wir etwas begreifen, das so …«
    »… verrückt ist«, ergänzt Luisa vom Bett aus.
    Ich wende mich ihr zu. »Ja, genau.

Weitere Kostenlose Bücher