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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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seines Reiters auflehnt. Sie trabt zu uns und reiht sich dann auf Sonias anderer Seite ein.
    Luisas Wangen sind vom Wind und von der Erregung gerötet. »Ach, das macht so viel Spaß, Lia! Ich danke dir! Es ist so lange her, seit ich das letzte Mal geritten bin.«
    Ich erwidere ihr Lächeln und sauge etwas von ihrer Freude in mich auf, ehe ich mich wieder an den Grund für unseren Ausritt erinnere. »Um die Wahrheit zu sagen, habe ich diesen Ausflug vorgeschlagen, weil ich mit euch beiden sprechen muss, ohne dass wir Gefahr laufen, belauscht zu werden.« Ich schaue Sonia an, der die Panik noch immer ins Gesicht geschrieben steht. »Obwohl ich mich frage, ob wir nicht besser einen Spaziergang entlang des Flusses gemacht hätten.«
    Luisa lacht. »Vermutlich kann sie uns vor lauter Angst gar nicht hören!«
    »Ich höre euch sehr gut«, stößt Sonia zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Ihr Gesicht, immer noch stur geradeaus gewandt, ist angespannt.
    Ich muss mir das Lachen verkneifen.
    Luisa wirft mir einen neugierigen Blick zu. »Also, was ist los, Lia? Worüber wolltest du mit uns reden? Abgesehen natürlich von dem Üblichen: die Prophezeiung, das Ende der Welt, solche Kleinigkeiten eben.«

    Auch Luisas Versuch, unsere bedrohliche Situation mit Humor zu nehmen, kann mir kein Lächeln abringen, denn ich frage mich, was passiert, wenn sie und Sonia mich für ihre derzeitigen Lebensumstände verantwortlich machen. Aber das werde ich erst wissen, wenn ich gesagt habe, was gesagt werden muss. »Ich glaube, ich weiß, warum dir mein Vater bekannt vorkommt, Luisa.«
    Luisa runzelt die Stirn. »Nun, ich bin ihm wahrscheinlich in Wycliffe begegnet oder …«
    »Ich glaube nicht, dass das der Grund ist«, unterbreche ich sie. »Wollen wir eine Rast machen?«
    Wir haben einen kleinen Teich erreicht, wo Alice und ich früher, als wir noch klein waren, immer die Enten fütterten. Nach dem Tod unserer Mutter fühlten wir uns hier sicherer als am See. Die Baumlinie fällt sanft zum Ufer des Teichs ab und die Baumkronen spenden sogar im Hochsommer noch kühlen Schatten.
    Luisa und ich binden unsere Pferde an ein paar kleinen Bäumen an. Sonia hockt immer noch auf Moon Shadow.
    »Willst du nicht absteigen?«, frage ich sie. Es dauert einen Moment, bis sie mich anschaut, aber als ich ihren Blick sehe, überkommt mich eine Welle des Mitgefühls angesichts ihrer offensichtlichen Angst vor dem Reiten.
    »Absteigen? Jetzt, wo ich oben bin, willst du, dass ich absteige ?« In ihrer Stimme liegt ein hysterischer Unterton.
    »Das ist kein Problem, Sonia. Vertraue mir. Ich werde dir helfen.«
    Erst nachdem ich ihr genaue Anweisungen gegeben
und sie beim Absteigen festgehalten habe, entspannt sich Sonias Gesicht wieder. Stöhnend lässt sie sich ins Gras sinken. »Ich werde nie mehr richtig sitzen können!«
    Ich nehme neben ihr Platz. Schweigen macht sich breit, während ich all meinen Mut zusammennehme. Ich schaue zu Luisa, die am Wasser an einem Baum lehnt. Sie hat die Augen geschlossen und um ihre Lippen spielt ein kleines zufriedenes Lächeln.
    »Luisa? Warum bist du von Italien nach Wycliffe gekommen? Das kommt mir seltsam vor - eine Schule, die so weit weg von deinem Zuhause ist.«
    Sie schlägt die Augen auf und stößt ein raues Lachen aus. Dann bückt sie sich und streicht über das Gras, hebt ein paar kleine Steine auf. »Seltsam, wie wahr! Mein Vater wollte mich auf eine Schule in London schicken, aber ein Geschäftsfreund erklärte, dass man in Amerika die bestmögliche Ausbildung bekommen könnte. ›Die beste Erziehung, die man für Geld kaufen kann‹, so sagte mein Vater. Das waren vermutlich die gleichen Worte, mit denen dieser Geschäftsfreund meinen Vater davon überzeugte, mich um die halbe Welt nach Wycliffe zu schicken.« Wütend wirft sie einen der Steine ins Wasser. Er landet mit einem dumpfen Platschen ein ganzes Stück weiter draußen, als ich selbst bei größter Anstrengung zu werfen in der Lage wäre.
    »Ich glaube, das war mein Vater.«
    Sie lässt die Hände fallen. »Was meinst du? Was war dein Vater?«

    »Ich glaube, mein Vater war dieser Geschäftsfreund, der deinem Vater empfahl, dich nach Wycliffe zu schicken.«
    Luisa kommt auf mich zu und lässt sich mit verwirrter Miene ins Gras sinken. »Aber … woher kannte dein Vater meinen Vater? Und mal angenommen, es war so, warum sollte ihn meine Ausbildung kümmern?«
    »Ich weiß nicht, aber wir alle haben das Zeichen. Obwohl meins anders ist als

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