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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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schaut jeder Einzelnen von uns in die Augen, auch Sonia, die vor dem Blick zurückzuckt, als wäre es ein gleißender Sonnenstrahl, der ihren Kopfschmerz noch verstärkt.
    Ich gehe auf Tante Virginia zu, während mir der Zorn in den Adern hochkocht. »Ich würde sicher mehr Ahnung haben, wenn du oder Vater oder Mutter - oder irgendjemand - mir Erklärungen geliefert hätten, als noch die Möglichkeit dazu bestand! Stattdessen bin ich gezwungen herumzustöbern, nach Antworten auf Fragen zu suchen, die ich nicht einmal begreife. Wir haben alles Mögliche unternommen, um das Rätsel der Prophezeiung zu lösen. Und weißt du was? Wir haben die Antwort gefunden! Wirklich! Aber sie ist alles andere als einfach.«
    Ich bin mir des wachsenden Irrsinns bewusst, merke, wie ich auf einen Abgrund zutreibe, vor dem zurückzuschrecken ich leid bin. Eher würde ich mich hineinstürzen.
»Die Kinder sind die Schlüssel, Tante Virginia. Die Kinder, nach denen Vater suchte, nach denen er immer noch suchte, als er starb. Aber nur Luisa und Sonia sind hier. Wir brauchen die Liste, um die restlichen Schlüssel zu finden, und ich dachte, dass Vater uns vielleicht sagen könnte, wo er sie versteckte. Das ist der Grund, warum ich Sonia bat, Verbindung mit ihm aufzunehmen.« Ich bekomme vor lauter Wut kaum noch Luft, atme schwer, als ob ich schnell gerannt wäre, während ich doch nichts weiter tat als mein Herz auszuschütten, all die Bitterkeit und den Schmerz abzuladen, der mir wie eine Last auf den Schultern lag.
    Tante Virginia lässt sich neben Sonia auf das Bett fallen. »Das kann nicht sein«, murmelt sie.
    Ich setze mich zu ihr. Mein Zorn schrumpft zu einer kleinen, kreiselnden Kugel zusammen. »Aber es ist so. Es muss so sein. Wir haben heute mit jemandem gesprochen, Tante Virginia. Jemand, der uns half, die Lösung zu diesem Rätsel zu finden.«
    Ich nehme ihre Hand in meine und erzähle ihr von unseren Besuchen bei Madame Berrier und bei Mr Wigan, in der Hoffnung, dass sie die fehlenden Teilchen zu dem Puzzle liefern kann und uns zu der Liste führt.
    »Hast du irgendeine Vorstellung davon, wo Vater sie versteckt haben könnte?«, frage ich sie, nachdem ich geendet habe.
    Tante Virginias Augen sind noch immer glasig vor Verblüffung. Mir wird klar, dass sie in eine Art Starre verfallen
ist, in dem Versuch zu leugnen, was sie tief im Innern schon als Wahrheit erkannt hat.
    »Ich habe keine Ahnung, Lia. Ich sagte dir ja, dass er sie mir nie zeigte. Er tat ziemlich geheimnisvoll damit, und jetzt begreife ich auch, warum. Nach der Prophezeiung brauchst du alle vier Schlüssel, um das Untier zu bannen. Wenn es sich tatsächlich um Menschen handelt… wenn ihre Identität bekannt würde…« Mit Angst in den Augen schaut sie zu Sonia und Luisa. »Dann wären sie in größter Gefahr.«
    Mir ist klar, dass sie dabei an Alice denkt. Die Vorstellung, dass meine Schwester eine Gefahr für Sonia und Luisa darstellt, ist unerträglich. »Glaubst du, wir sollten sie aus Birchwood fortbringen, Tante Virginia? Müssen sie gleich gehen, ehe Alice entdeckt, was wir bereits wissen?«
    Aber nicht meine Tante antwortet auf meine Frage, sondern Luisa. Sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich kann nicht für Sonia sprechen, aber ich habe nicht die Absicht, dieses Haus zu verlassen. Dies ist auch mein Kampf und ich werde nicht vor ihm davonlaufen. Außerdem ist es durchaus möglich, dass Alice noch nichts von den Schlüsseln weiß. Wenn wir jetzt plötzlich verschwinden, lenken wir nur ihre Aufmerksamkeit auf uns.«
    Sonia richtet sich auf dem Bett auf. Sie zuckt zusammen und greift sich an den Kopf. »Luisa hat recht. Es wird Aufsehen erregen, wenn wir jetzt abreisen, wo wir doch bis Sonntag bleiben wollten. Und wer weiß, wann wir wieder die Gelegenheit haben, gemeinsam nach den anderen
Schlüsseln zu forschen. Außerdem gibt es in den Anderswelten Schlimmeres zu fürchten als ein Mädchen - selbst wenn dieses Mädchen Alice ist.«
    Sie kennen Alice nicht , denke ich. Sie wissen nicht, wozu sie fähig ist.
    Aber den Gedanken spreche ich nicht laut aus. Egal was Alice sein mag, sie ist immer noch meine Schwester. Im Übrigen gehen wir alle ein Risiko ein, wenn wir der Prophezeiung ein Ende machen wollen.
    Die Übermacht der Aufgabe, die vor uns liegt, die Gefahr, die uns dabei erwartet, trifft mich mit einem Mal mit voller Wucht. Wie sollen wir die restlichen Schlüssel finden? Selbst wenn wir die Liste hätten, sind Sonia und Luisa der beste

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