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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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an, gegen den ehrenvollen Platz, der dir beschieden ist?«
    Ein leicht irres Lachen entschlüpft meiner Kehle. » Warum? Ja, warum nur, Alice? Soll ich alle Vorsicht in den Wind schreiben und zulassen, dass was immer mit mir zurückkommen will - durch mich zurückkommen will - zurückkommt?«

    Ihre Stimme wird lauter. »Warum nicht? Warum musst du alles so komplizieren? Ich habe dir doch schon gesagt, dass du besonderen Schutz genießen wirst. Glaubst du, die Seelen werden der Favoritin des Königs ein Haar krümmen? Was hast du zu befürchten?«
    »Ich fürchte nicht für mich selbst, Alice. Was ist mit der Welt, die verloren geht, wenn sie von dem Untier regiert wird? Was nutzt uns unsere Sicherheit, wenn jene, die wir lieben, in einer Welt voller Dunkelheit existieren müssen?«
    »Samael sitzt seit Jahrhunderten in den Anderswelten fest. Er wird diejenige, die ihm das Tor öffnet, fürstlich belohnen. Alles, was du begehrst, wird dir gehören. Man wird dich wie eine Königin behandeln. Dafür wurdest du geboren.« Die Teiche ihrer Augen schimmern wie die schlammigen Tiefen des Flusses.
    »Vielleicht irrst du dich, Alice. Vielleicht ist es tatsächlich deine Aufgabe, der Wächter zu sein. Vielleicht wurdest du dafür geboren. Vielleicht ist es uns aufgetragen, auf einer Seite zu stehen und gemeinsam zu kämpfen. Wenn wir zusammenhalten, können wir vielleicht die Sicherheit und den Frieden der Welt bewahren. Wir könnten die Prophezeiung ein für allemal beenden. Würdest du nicht lieber auf der Seite der Guten stehen?«
    Aber meine Worte zeigen nicht die gewünschte Wirkung. Ihre Züge verhärten sich nur noch mehr. »Ist es das, was du willst, Lia? Dem Ideal des Guten anhängen, eine Heldentat vollbringen, von der niemand jemals etwas erfahren
wird? Dein Leben dafür riskieren? Glaubst du, das sei genug? Das ist es nicht. Es ist nicht genug. Nicht für mich. Wir könnten über eine Macht auf dieser Welt verfügen, die niemand jemals zuvor hatte, nicht seit Maari, der letzten Schwester, die klug genug war, ihre Kräfte zu nutzen, als sie die Möglichkeit dazu hatte.«
    Es gelingt mir nicht, meine Überraschung zu verbergen.
    »Was? Dachtest du, ich wüsste nichts davon? Dachtest du, ich kenne die Geschichte nicht, die uns verbindet? Und die Geschichte unserer Mutter?«
    »Ich war mir nicht sicher, wie viel du weißt. Das Buch…«
    Sie lacht wieder und läuft vor mir auf und ab, wobei ihre Füße keine Abdrücke auf dem langen Gras hinterlassen. »Das Buch!«, höhnt sie und tritt näher. »Denkst du, das sei die einzige Möglichkeit gewesen, von der Geschichte zu erfahren? Das ist ein Irrtum, Lia. Ich habe andere Wege, mir Informationen zu verschaffen.«
    Sie läuft um mich herum, sodass ihre Stimme in meinem Rücken klingt. Es ist ein Trick, mit dem sie mich aus der Fassung bringen will. Ich bleibe still stehen, zwinge mich, mich nicht zu ihr umzudrehen.
    »Samael und seine Seelen haben mich schon vor langer Zeit zu sich gerufen, Lia. Sie flüsterten mir in der Wiege zu, wie sie es auch jetzt noch tun. Es ist nicht die Stimme unserer Mutter, die ich als Erstes hörte, und auch nicht deine, meine Schwester. Der Ruf der Seelen ist meine erste Erinnerung. Vielleicht wussten sie schon damals von
deiner … Schwäche. Vielleicht begriffen sie den Rollentausch, der durch den Fehler bei unserer Geburt zustande kam. Oder vielleicht wollten sie einfach sicher sein, dass wenigstens eine Schwester sich ihren Wünschen fügt.« Sie tritt wieder vor mich hin, doch dann wendet sie sich ab und blickt über das leere Feld vor uns. Sie breitet die Arme aus, als wollte sie alles umfassen. »Sie haben mir alles beigebracht, Lia. Wie man auf den Schwingen reist, wie man andere während der Reise herbeiruft…« Sie dreht sich zu mir um, und ich könnte schwören, dass etwas wie Liebe in ihrer Stimme liegt. »Alles.«
    Während mir niemand etwas beibrachte , denke ich.
    Ich erinnere mich an Sonias Worte, ihre Versicherung, dass jene in den Anderswelten keinen Einfluss auf die Ereignisse in unserer Welt haben können. Aber dann wird mir klar, dass die Seelen dieses uralte Gesetz nicht gebrochen haben. Indem sie Alice beibrachten, ihre Gaben zu nutzen, die Gaben, mit denen sie geboren worden war, so blieb doch die Wahl ihres Weges, ihres Schicksals, ihr selbst überlassen. Dass sie diese Wahl traf, dass sie sich so leichtherzig für den Weg des Bösen entschied, kann niemand anderem zum Vorwurf gemacht werden als Alice

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