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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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Beweis, dass die Schlüssel über die ganze Welt verstreut sein könnten.
    »Was ist, wenn wir sie nicht aufspüren können, Tante Virginia? Was, wenn wir es nicht schaffen?«
    Sie presst die Lippen zusammen, steht auf und geht zu dem Schreibtisch, der zwischen den beiden Betten steht. Sie zieht die Schublade auf und holt etwas daraus hervor. Als sie zurückkommt, hält sie eine kleine Bibel in der Hand. Sie zittert, während ihre Finger eine Stelle auf den letzten Seiten suchen.
    Ohne auf meine Frage einzugehen, liest sie vor: » Dann hörte ich, wie eine laute Stimme aus dem Tempel den sieben Engeln zurief: »Geht und gießt die sieben Schalen mit dem Zorn Gottes über die Erde!« Der erste ging und goss seine Schale über das Land. Da bildete sich ein böses und
schlimmes Geschwür an den Menschen, die das Kennzeichen des Tieres trugen und sein Standbild anbeteten. Der zweite Engel goss seine Schale über das Meer. Da wurde es zu Blut, das aussah wie das Blut eines Toten; und alle Lebewesen im Meer starben. Der dritte goss seine Schale über die Flüsse und Quellen. Da wurde alles zu Blut. Und ich hörte den Engel, der die Macht über das Wasser hat, sagen: …«
    »Die Sieben Plagen«, unterbricht Luisa sie flüsternd.
    Tante Virginia klappt die Bibel zu und nickt Luisa zu. »Richtig.«
    Luisa wendet sich mir zu und sagt: »In der Bibel sind die Sieben Plagen die Vorboten für das Ende. Für die Rückkehr des abgrundtiefen Chaos, das herrschte, ehe die Zeit begann.«
    Geräuschlos fügt sich in meinem Kopf ein weiteres Teilchen in das geheimnisvolle Puzzle ein. Ich spreche aus, was ich denke: » Tod, Hungersnot, Blut, Feuer, Dunkelheit, Dürre, Zerstörung .« Seit dem Auftauchen dieses Buches habe ich die Prophezeiung so oft gelesen, dass ich die Worte nie wieder vergessen werde.
    »Ja«, bestätigt Tante Virginia. »Die Bibel versteht die Plagen als ein Ende, das einen Neubeginn einleitet, eine von Gott regierte Welt. Aber die Geschichten in der Bibel sind uralte Überlieferungen und wurden außerdem in Tausende von Sprachen übersetzt, und so ist es nicht verwunderlich, dass sie Dinge enthalten, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Und dass andere fehlen, die durch und durch wahr sind.«

    »Aber was bedeutet es denn nun tatsächlich?«, will ich wissen.
    Tante Virginia beugt sich vor und nimmt meine Hand. »Die Plagen sind einfach nur die Boten für das Ende. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, und der Anfang einer Welt, die auf immerdar von dem Untier regiert wird. Wenn du die vier Schlüssel nicht finden und den Kreis nicht vollenden kannst, wird Samael durch dich in diese Welt eindringen, und dann wird es zu spät sein. Die Sieben Plagen werden über die Welt hereinbrechen, und sie werden große Qual und unendliche Zerstörung bringen, ehe das Ende kommt. Das Ende von allem.«
    Wild und heftig schüttele ich den Kopf, denke an Henry, an Luisa und Sonia, an Tante Virginia. »Aber ich bin der Engel. Alle sagen das. Ich habe die Wahl. Wenn ich ihm den Zutritt verwehre, kann er nicht kommen.« Selbst in meinen Ohren höre ich mich an wie ein kleines, verzweifeltes Kind.
    Tante Virginia schaut mir in die Augen. »Ich wünschte, es wäre so, Lia. Aber Samael wird deine Schwächen gnadenlos ausnutzen. Er wird dir im Schlaf auflauern. Er wird seine Armeen nach dir ausschicken, jene Seelen, die in den Anderswelten warten, und jene, die bereits die Schwelle zu unserer Welt übertreten haben. Er wird diejenigen, die du am meisten liebst, benutzen, um dich zu Fall zu bringen.
    Vielleicht gelingt es dir, eine Zeit lang dagegen anzukämpfen, aber ich fürchte, du wirst es nicht lange aushalten.
Die Armee versammelt sich seit Jahrhunderten und wartet auf ihren Anführer, ihren König. Die Seelen warten auf das Tor, das ihn einlässt, um ihre Schreckensherrschaft einzuläuten. Sie warten auf dich, Lia. Sie werden nicht so leicht aufgeben. Du musst die Liste finden. Du musst die anderen Schlüssel finden. Und du musst es schnell tun.«
     
    Ich will nicht schlafen. Die Antworten, nach denen ich mich sehnte, brachten mir nicht den gewünschten Trost, nicht die Zuversicht, die ich so dringend nötig habe. Ich frage mich, ob Sonia und Luisa genauso unruhig sind wie ich. Es gibt so viel zu tun, aber es ist schon spät, und wir haben beschlossen, morgen, im hellen Tageslicht, in der Bibliothek nach der Liste zu suchen. Das Buch war dort, und vielleicht ist die Liste ebenfalls in dem Raum versteckt, der Vaters Heiligtum

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