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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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Prickeln spüre. Das Gefühl breitet sich bis in meine Fingerspitzen aus, sodass es sich anfühlt, als stünde meine ganze Hand in Flammen. Und dann höre ich, weit entfernt, eine raue Stimme.
    »Lia? Lia? Hörst du mich, Tochter?«

    Ich erstarre vor Fassungslosigkeit. Es ist die Stimme meines Vaters, daran gibt es keinen Zweifel, aber ich habe keine Ahnung, warum ich sie hören kann, warum ich meinem Vater plötzlich so nahe bin, wo ich doch einfach nur Sonias Hand halte. Meine Augen wandern zu Luisa, deren Hand in meiner heiß geworden ist. Auch sie starrt Sonia verwundert an. Auch sie hört Vaters Stimme.
    Diese Stimme, die von überall und nirgends zu kommen scheint, reißt mich jetzt aus meiner Beobachtung. »Lia … hör zu. Es gibt so viel zu besprechen…« Die Stimme knistert, manche Silben sind kaum zu hören. »Ich werde dir den Beweis geben, den die Geisterbeschwörerin verlangt, aber wir müssen uns beeilen. Sie werden schon bald kommen…« Seine Stimme verblasst einen Moment, ehe sie zurückkehrt. »Lia… Tochter… Erinnerst du dich an das Floß, das du bauen wolltest? Henrys Boot fiel … in den Fluss … und weißt du noch? Du warst noch so klein, aber du warst dir ganz sicher, dass du es erwischen könntest, wenn du nur schnell genug paddeln würdest. Du warst nie besonders gut darin, Sachen zu bauen, Lia. Weißt du noch? Aber du hast es trotzdem versucht. Du hast dich abgemüht und abgerackert, obwohl es nicht zu schaffen war …«
    Tränen brennen in meinen Augen, während ich mich daran erinnere, wie ich versuchte, dieses Floß zu bauen, in der Gewissheit, Henrys Spielzeugboot retten zu können. Es wurde flussabwärts getrieben, aber ich war davon überzeugt, dass ich es schaffen würde. Alice stand daneben
und sagte immer wieder, dass es keinen Sinn hätte, dass es vergeblich sei. Ich denke, selbst der arme Henry wusste, dass wir keine Chance hatten, obwohl die Strömung nach einem langen, regenarmen Sommer sanft dahinfloss. Aber trotzdem hämmerte ich tapfer Holzscheite zusammen - in meiner besten Schürze - und benutzte dazu Werkzeug, das die Arbeiter meines Vaters liegen gelassen hatten, als man sie zum Mittagessen rief. Als ich schließlich mein klappriges Rettungsboot zu Wasser ließ, sank es, noch bevor ich überhaupt einen Fuß daraufsetzen konnte. Ich glaube, ich war über mein Unvermögen verzweifelter als Henry über den Verlust seines Spielzeugs.
    »Ich erinnere mich«, sage ich flüsternd.
    Einen Moment lang bleibt alles still. Ich fange schon an zu fürchten, dass wir die Verbindung zu den Anderswelten verloren haben. Aber dann kehrt seine Stimme wieder, wenn auch etwas schwächer als zuvor.
    »Gut, Lia. Gut. Du musst die Schlüssel… finden. Ich habe es versucht… wieder und… Ich fand… nur zwei… Du musst… Liste… Kreis zu vervollständigen. Ich habe sie… hinter… einzige Möglichkeit… zu beenden. Du bist das… Es ist deine… ein für allemal, aber nicht ohne die vier.«
    Ich höre, wie er mir entgleitet, und gleichzeitig spüre ich es auch in meinem Herzen. Die Energie, die den Raum erfüllt hatte, bäumt sich ein letztes Mal auf und wird dann immer schwächer.
    Sonia mischt sich ein. Im Umgang mit der Geisterwelt
beweist sie mehr Autorität als mit lebenden Menschen. »Mr Milthorpe, wir müssen die Liste finden. Die Verbindung wird schwächer. Wir haben nicht alles verstanden, was Sie sagten. Können Sie es wiederholen? Können Sie bei uns bleiben, Mr Milthorpe?«
    Schweigend warten wir auf Antwort. Und endlich kommt ein Flüstern, eiliger, drängender als zuvor. »Pst … Er kommt. Ich… gehen. Lia… Du musst die Liste finden… sie sind die Schlüssel. Schau… Henry ist alles, was vom Schleier übrig… Wir… dich, Tochter. Wir… dich.«
    Und dann ist er fort. Ich fühle die Abwesenheit seiner Gegenwart. Der Raum, der mir vorher völlig normal vorkam, fühlt sich plötzlich leer an ohne die Wärme von meines Vaters Geist. Sonias Kopf fällt ihr auf die Brust, als ob sie eingeschlafen wäre.
    »Sonia? Es ist vorbei, Sonia. Du kannst…«
    Aber weiter komme ich nicht. Ihr Kopf ruckt plötzlich wieder nach oben. Ihre blauen Augen sind weit geöffnet, schauen mich geradewegs an. Die merkwürdige Vibration, die Schärfe in ihrem Blick, ist noch stärker als zuvor. Und die Stimme, mit der sie spricht, ist nicht ihre eigene und auch nicht die meines Vaters.
    » Ihr spielt ein gefährliches Spiel, Mistress .«
    Ein Schauer fließt mir wie ein Tropfen Eiswasser

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