Die Prophezeiung der Schwestern - 1
Pfiff aus - »ist manchmal ziemlich verrückt. Wie auch immer, Thomas bat mich, nach dir Ausschau zu halten. Thomas und deine Mutter.«
Es ist die Art, wie der Junge über Vater spricht, wie er ihn vertraulich beim Vornamen nennt, und auch die Erwähnung meiner Mutter, die mich überzeugt. »Du hast meine Mutter gesehen? Hier?«
Er nickt. »Klar! Sie sind zusammen. Was hast du erwartet? Sie ist schön, weißt du?« Er errötet. »Du hast ihre Augen.«
Ich muss die Erregung, die meine Kehle emporsteigt, hinunterschlucken. »Kannst du mir helfen? Kannst du mich zu ihnen bringen?«
Er presst die Lippen zusammen, schaut nach oben und dann den Strand entlang, ehe er sich wieder vorbeugt und leise sagt: »Ich kann dir nicht direkt helfen . Die Strafe dafür wäre…« Er erschauert. »Nun, sie wäre schlimm, okay? Aber ich kann… dir ein bisschen die Richtung weisen, und wenn jemand deinen Vater zufällig wissen lässt, dass du hier bist, dass du in den Anderswelten nach ihm suchst, nun … wer sollte etwas verraten, wenn wir uns unauffällig verhalten?«
»Hör zu, ich wäre dir für deine Hilfe wirklich dankbar. Ich habe nicht viel Zeit, und es ist unbedingt nötig, dass ich … nun, dass ich mit meiner Suche Erfolg habe.« Seine Paranoia ist ansteckend, und so senke auch ich meine
Stimme und schaue mich um, bevor ich fortfahre: »Was, schlägst du vor, soll ich also tun?«
Er schiebt seinen Kopf ganz nah zu meinem und berührt meinen Arm mit seinen Fingern. So leicht wie eine zarte Brise liegen sie auf meiner Haut. »Du musst nur an ihn denken, an nichts sonst«, wispert er. »Denk nicht einmal an einen bestimmten Ort. Du kannst nicht wissen, wo er gerade ist. Aber er wird es spüren und dich finden. Nur nicht hier.«
Ich habe immer noch leise Bedenken, mich diesem seltsamen Jungen anzuvertrauen. Was, wenn es ein Trick ist? Aber andererseits - was, wenn nicht? Was, wenn er versucht, mir zu helfen?
Ich habe keine Wahl. Ich werde darauf vertrauen müssen, dass er auf meiner Seite steht. Ansonsten werde ich auf ewig hier an diesem Strand stehen - und auch auf ewig auf dem Ledersofa in der Bibliothek liegen.
»Also muss ich in eine andere Welt reisen, richtig?«
Er nickt. »Ich fürchte, ja. Aber denk dran: Wenn du nur fest an Thomas denkst - und an nichts anderes -, dann wird er dich finden. Er versucht schon lange, Kontakt mit dir aufzunehmen.«
Er wendet sich ab, als eine plötzliche Bö vom Meer heranweht und eine Kälte mit sich führt, die mich erschauern lässt. Ich verschränke fröstelnd die Arme vor der Brust und schaue übers Wasser. So unvermittelt, wie er gekommen ist, erstirbt der Wind wieder - eine deutliche Mahnung daran, dass ich mich nicht in meiner eigenen Welt befinde.
Als ich mich umdrehe, ist der Junge fort. Ich bin wieder allein. Ich schaue mich um, aber es gibt keinen Zweifel. Der Junge ist verschwunden, als hätte er nie existiert. Ich haste zu einem Felsen an der Wasserlinie und streiche mir die Röcke glatt. Ich bin begierig darauf, meinen Vater zu finden und nach Birchwood zurückzukehren, in die Welt, die mir vertraut ist. Ich schließe die Augen und fange an zu zählen. Meine Stimme schwebt auf der Brise wie ein Gebet.
»Eins… zwei… drei… vier…«
Meine Füße haben den festen Boden verlassen, aber ich fliege nicht. Nicht im eigentlichen Sinne. Stattdessen befinde ich mich in einem schwarzen Wirbel, werde in alle Richtungen gleichzeitig gezogen. Ich hatte einen schnellen und mühelosen Übergang von einer Welt in die andere erwartet, nicht diesen brodelnden Mahlstrom, der mir den Atem raubt. Instinktiv überkommt mich Panik. Ich frage mich, ob der Mann, dem ich auf dem Strand begegnete, den Seelen von meiner Anwesenheit in den Anderswelten erzählt hat, ob sie nun versuchen, mich in den Abgrund zu ziehen.
Dann berühren meine Füße wieder den Boden. Ich merke erst, dass ich die Augen geschlossen habe, als ich sie wieder öffne. Die Welt, die mich umgibt, ist fast völlig farblos. Eis, so weit das Auge reicht. Der Himmel ist weiß und scheinbar endlos; man kann kaum erkennen, wo das Eis endet und der ausgebleichte Himmel beginnt.
Unwillkürlich will ich mich umdrehen und wegrennen,
will diese Welt so schnell wie möglich wieder hinter mir lassen, will meinen Vater woanders finden - aber dann beschließe ich zu warten, um Vater die Gelegenheit zu geben, mich aufzuspüren, wenn er denn tatsächlich nach mir sucht. Obwohl es nichts gibt, wo ich hingehen könnte, gefällt
Weitere Kostenlose Bücher