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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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herrschaftlichen Räume betraten.
    Im Erdgeschoss endete die Treppe in einem fensterlosen Raum, der nur von einer Öllampe spärlich erhellt wurde. An drei Seiten befanden sich dunkle Holztüren, doch es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, was sich hinter ihnen befand. Ratlos blieben sie stehen. Wohin jetzt? Ruben versuchte sich vorzustellen, welche Tür zum Wirtschaftshof führen könnte, aber er hatte die Orientierung verloren. Er winkte Henri, ihm zu folgen. Bei jeder Tür blieb er stehen und lauschte, aber er hörte nichts.
    »Und was machen wir jetzt?« Henri sah aus, als wäre er am liebsten ins Zimmer zurückgekehrt. Vielleicht war es das, was Ruben dazu trieb, die nächste Tür einfach zu öffnen und den Raum dahinter zu betreten.
    »Wenn wir erwischt werden, gnade uns Gott«, sagte Henri, folgte Ruben aber dennoch. Sie kamen in einen Salon, der ganz in Rosa gehalten war. Henri hielt sich eine Hand vor die Augen. »Mir wird übel!«
    »Still!«, zischte Ruben, der dachte, Henri hätte besser in der Dachkammer zurückbleiben sollen. Er ging ihm mit seiner albernen Art schon seit einiger Zeit gehörig auf die Nerven. Kurz fragte er sich, wie es so weit hatte kommen können –, sie waren doch beste Freunde in Zeiten der Not gewesen und nun, wo es ihnen gut ging, verstanden sie sich immer schlechter. Doch zum Nachdenken hatte er jetzt keine Zeit, sie mussten den Ausgang finden.
    Gemeinsam näherten sie sich der gegenüberliegenden Tür und Ruben zog sie einen Spalt weit auf. Dahinter lag der Bankettsaal, dessen Kamin er gereinigt hatte, bevor die Comtesse ihn bei Givret ausgelöst hatte.
    Es war niemand im Raum, doch der Tisch war gedeckt, als würden Gäste erwartet, und in der Mitte standen Tafelaufsätze mit frischem Obst. Ruben erinnerte sich, dass die Flügeltür am anderen Ende zur Eingangshalle führte, aber um sie zu erreichen, mussten sie die ganze Länge des Saales hinter sich bringen. Er drehte sich um. »So leise und schnell wie möglich«, flüsterte er Henri zu.
    Dann hasteten sie an der Tafel entlang, begleitet von ihren Ebenbildern, die wie Geister neben ihnen durch die Reihe venezianischer Spiegel an der Wand huschten. Ruben hielt den Blick die ganze Zeit auf die Ausgangstüre gerichtet. Sie hatten etwa die Hälfte des Weges hinter sich, da begann sie sich langsam zu öffnen und ein Diener in roter Livree wurde sichtbar. Er sah die Jungen nicht sofort, weil er den Kopf nach hinten wandte und mit jemandem sprach, während er eintrat. Er trug ein Tablett mit Salzfässchen zum Tisch und begann, an jedem Platz eines der Gefäße abzustellen.
    Ruben und Henri wagten kaum zu atmen. Gerade rechtzeitig waren sie unter den Tisch geglitten. Das herabhängende Tischtuch verbarg sie leidlich, und wenn man nicht nach unten blickte, konnte man sie wahrscheinlich nicht sehen. Aber die Schritte des Dieners näherten sich – falls er sich bückte, würde er sie unweigerlich entdecken.
    Ruben fragte sich, was mit ihnen geschehen würde, wenn man sie erwischte. Eigentlich hatten sie nichts Verbotenes getan, aber ob es der Comtesse gefallen würde, dass sie wie Einbrecher durch ihr Haus schlichen?
    Der Lakai stand inzwischen genau vor ihnen, sie hätten an seinen Seidenstrümpfen zupfen können. Ruben atmete so flach, als läge ein Felsen auf seiner Brust. Die Schuhe des Mannes scharrten auf dem Parkett. Dann ein klirrendes Geräusch, die Jungen unter dem Tisch fuhren zusammen. Vor ihnen lag ein silberner Salzlöffel.
    Die beiden Freunde sahen sich stumm an. In dem Augenblick, in dem der Diener sich bückte, um den Löffel aufzuheben, schossen sie unter der Tafel hervor. Stühle stürzten, der Lakai landete vor Überraschung auf dem Hintern, während die Jungen über das Parkett schlitterten, mit den Armen ruderten, um das Gleichgewicht wiederzufinden, und zur Tür jagten.
    Der Diener brüllte ihnen etwas nach, und obwohl sie nichts verstanden, brachen sie in Gelächter aus. Nebeneinander erreichten sie den Ausgang und warfen sich hindurch, ohne zu wissen, wohin sie wollten.
    Sie fanden sich auf dem Marmorboden der Eingangshalle wieder, rappelten sich auf und verschwendeten keine Zeit damit, sich umzublicken. Die Eingangstür war nur wenige Meter von ihnen entfernt. Ruben war zuerst dort und versuchte, den Riegel zu öffnen. Doch der rührte sich nicht, so sehr Ruben auch daran zog. Plötzlich schien ihm nach draußen zu gelangen das Wichtigste auf der Welt.
    Er hieb mit der Faust gegen den Riegel und riss

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